„Alles hat ein Ende …“ (Andacht für Oktober)

… nur die Wurst hat zwei. Und das Johannes-Evangelium. Denn nach dem ersten Ende kommt als Anhang noch ein weiteres Kapitel mit einem zweiten Ende.
Ich möchte mir mit Ihnen nun das erste Ende anschauen. Denn da sagt der Evangelist, wozu überhaupt sein Evangelium gut sein soll, was Sie, seine Leserinnen und Leser, davon haben.
Was vor dem ersten Ende des Evangeliums passiert ist: Jesus ist auferstanden und seinen Jüngern erschienen. Einer war nicht mit dabei: Thomas. Und der glaubt den anderen jetzt nicht, was die gesehen und gehört haben.

„Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich’s nicht glauben!“

Diese Kernfrage des christlichen Glaubens lässt sich vorerst nicht klären. Trotzdem halten es die Jünger mit dem „ungläubigen“ Thomas aus, und Thomas hält es mit diesen Jüngern und ihrem „Wunschdenken“ aus.
Eine Woche später: Der Auferstandene erscheint den Jüngern nochmal, diesmal auch dem Thomas. Er darf ihn sehen, hören, spüren. Und jetzt spricht Thomas eines der steilsten Jesus-Bekenntnisse im Neuen Testament: „Mein Herr und mein Gott!“
Und Jesus? Der sagt etwas zu Thomas, was er vielleicht noch mehr allen verunsicherten Christinnen und Christen nach ihm sagt:

„Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“

In dieser Vor-Geschichte vor dem ersten Schluss des Evangeliums fallen bereits zwei Stichwörte, die im Schluss wieder auftauchen: Es geht um JÜNGER und es geht um GLAUBEN.
So, und nun der Schluss:

Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen. (Johannes 20, 30-31)

„Noch viele andere Zeichen tat Jesus …“ – Was denn für „Zeichen“? Es gibt insgesamt fünf konkrete Ereignisse, die der Evangelist „Zeichen“ nennt:

  1. Jesus macht aus Wasser Wein.
  2. Jesus heilt einen Kranken, der räumlich weit weg von ihm ist.
  3. Jesus vermehrt Brot, viele Leute werden satt.
  4. Jesus macht einen, der blind geboren ist, sehend.
  5. Jesus macht seinen verstorbenen Freund Lazarus lebendig.

Lauter Wunder also! – Ja? Wunder? Das genau ist die Pointe: Der Evangelist nennt sie eben nicht „Wunder“, sondern „Zeichen“! Er berichtet von der Begeisterung der Leute, die diese Ereignisse als Wunder MISSverstehen – und die sich später enttäuscht von Jesus abwenden.
Was ist der Unterschied? Stellen Sie sich vor, Sie sind auf dem Weg nach Bielefeld. Nun sehen Sie unterwegs einen Wegweiser, da steht „Bielefeld“ drauf. Das Missverständnis als „Wunder“ wäre: Sie stellen sich vor das Schild, bestaunen die Aufschrift und den schwarzen Lack auf dem toll reflektierenden gelben Hintergrund und wünschen sich, so etwas selbst auch herstellen zu können.

Das Schild als „Zeichen“ zu verstehen, würde bedeuten: Sie halten sich gar nicht lange am Schild auf, sondern Sie fahren in die Richtung, die es anzeigt. Es geht ja nicht um das Schild selbst. Sondern um Bielefeld und den Weg dorthin.
Also: Diese fünf „Zeichen“ Jesu sollen Sie nicht ins Staunen versetzen, wie man einen tollen Zauberkünstler bestaunt. Es sind Hinweis-Schilder – auf Jesus selbst, und wer er für Sie sein will. Also zum Beispiel so: Wo kann bei mir Wasser zu Wein werden? Wo kann in meinem Leben etwas Verletztes heil werden? Was bedeutet das, wenn Jesus mein Lebensbrot ist? Wo öffnet er mir die Augen, wo macht er bei mir Erstorbenes lebendig?

Unser Schlusswort sagt: Jesus tat diese und andere Zeichen „vor seinen Jüngern“. Etwa nicht vor anderen? Doch, vor denen auch! Aber für andere waren es eben „Wunder“, keine „Zeichen“. Das heißt: Wo Jesu Leben, seine Worte und Taten Ihnen vom Wunder zum „Zeichen“ werden, wo Sie sich selbst darin wiederfinden, da sind Sie schon Jüngerin oder Jünger, und nicht bloß  staunendes oder kritisches Publikum. Da sind Sie mit ihm verbunden.

Nun haben wir keine Zeitmaschine und keine Originalmitschnitte. Sondern hier die schriftlichen Erzählungen eines Evangelisten, der sich selbst als Jünger versteht und uns alles durch die Brille des Glaubens beschreiben. – Und warum tut er das?

„… damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.“

Die Absicht seines Schreibens: Glauben wecken! Glauben stärken! Sich im Glauben mit Jesus verbinden, in ihm das Leben haben!

Natürlich: Sie KÖNNEN die Evangelien als mehr oder weniger gute Tatsachenberichte lesen. Sie KÖNNEN sich in diesem und jenem Widerspruch aufhalten. Sie KÖNNEN sich darüber ärgern, dass Sie manches nicht verstehen und anderes Ihnen nicht passt. Sie KÖNNEN die Sache wissenschaftlich angehen, die Evangeliumstexte haarklein auseinander nehmen und kluge Bücher dazu lesen.

All das zu tun, ist auch gut. Aber es wäre schade, wenn es dabei bliebe. Zumindest die Absicht unseres Evangelisten geht darüber hinaus: Glauben wecken! Leben haben in Jesu Namen!

Und konkret? Da müssten Sie sich erstmal an die Bibel oder speziell an die Evangelien heran begeben. Oder, wenn Sie da wie ein Ochs vor’m Berge stehen, jemanden fragen, der Ihnen vielleicht Tipps gibt, wie Sie einen Zugang bekommen. Oder sich eine gute Begleit-Lektüre besorgen.

Und dann: Beim Lesen in kleinen Häppchen im Hintergrund die beiden Fragen mitlaufen lassen: Was geht MICH das an? Wo komme ICH da vor?
Dann können Ihnen diese uralten Texte nämlich wirklich „heilige Schrift“ werden: Wenn Sie Ihren Glauben wecken, formen und bestärken.

Gebet:

Herr, Dein Wort, die edle Gabe, diesen Schatz erhalte mir!
Denn ich zieh’ ihn aller Habe und dem größten Reichtum für!
Wenn Dein Wort nicht mehr soll gelten, worauf soll der Glaube ruhn?
Mir ist’s nicht um tausend Welt, aber um Dein Wort zu tun!

Dirk Klute