„Für Schwestern und Brüder“
„Peter, aufstehen!“, ruft die Mutter, „gleich ist Kirche!“ – Peter: „Ich will nicht! Erstens sind die Gottesdienste voll öde, und zweitens kann ich die Leute da nicht leiden!“ Darauf die Mutter: „Und Du gehst DOCH! Erstens ist es gleich schon halb 10, und zweitens bist Du der Pastor!“
Tja, da hat es der Pastor schwer mit seiner Gemeinde. Aber was noch schlimmer ist: Da hat es die Gemeinde schwer mit ihrem Pastor. Schlecht, wenn es an der Liebe fehlt. Wenn die Liebe vielleicht noch nie da war. Oder wenn sie auf der Strecke geblieben ist. Und das gilt beileibe nicht nur für den Pfarrer oder die Pfarrerin, das gilt für alle, die sich zur Gemeinde halten. Oder sich dazu hielten.
Dabei haben’s Christen doch von Haus aus mit der Liebe. Jesus selbst hat schließlich das Dreifachgebot der Liebe formuliert: Liebe zu Gott, Liebe zum Nächsten, Liebe zu sich selbst. Jesus hat uns die Geschichte vom barmherzigen Samariter ans Herz gelegt und damit gesagt: Die Liebe zum Nächsten soll demjenigen gelten, der Dich gerade dringend braucht! Und: Jesus legt seinen Leuten sogar die Feindes-Liebe ans Herz!
Nun sagen Sie vielleicht: „Schön und gut, aber die Liebe zu den CHRISTEN kommt in dieser Aufzählung NICHT vor! Schon gar nicht zu den Christen, die mit mir am selben Ort wohnen. Und die vielleicht sogar mit mir in derselben Kirche sitzen!“ – In der Tat: Die Liebe unter den Christen kommt nicht immer vor. Ausgerechnet in der „Gemeinschaft der Heiligen“ aus dem Glaubensbekenntnis geht es gelegentlich schon mal wenig heilig zu.
Es gibt Leute, die haben das so für sich gelöst: „Liebe zu Gott – ja! Und Liebe zum Nächsten – auch! Man will ja ein anständiger Mensch sein. Aber andere Christen, Gemeinde oder gar Kirche? Nee, ich kann doch auch allein beten!“ Klar, kann ich. Aber CHRISTLICHER Glaube ist anders gedacht: Nicht als Solo-Programm, sondern als gemeinsam geteilter und gelebter Glaube.
Wieso ist das mit der Liebe unter den Christen, nicht den entfernten, sondern am selben Ort, in derselben Gemeinde, manchmal so schwierig, schwieriger vielleicht als bei den anderen Liebes-Formen? Na, als aufopferungsvoller barmherziger Samariter kann ich mich in der Rolle richtig gut fühlen. Feindesliebe ist da schon schwieriger. Allein schon, sich einzugestehen, welche zu haben. Aber wenn ich dann den Feind dadurch beschäme, ihm auch die linke Wange hinzuhalten, hat das was Heroisches und ist immerhin noch ein Sieg nach Punkten.
Aber die Mitchristen von nebenan? Oder die sich dafür halten? Die Quertreiber? Oder, die die immer „in die Kirche rennen“, um ihre Klamotten zu zeigen? (Beliebtes Klischee, aber ich kenne keinen.) Oder die, die alle guten Ideen blockieren? Oder die mit ihrer antiquierten Moral? Oder die mit ihrer fehlenden Moral – Sodom und Gomorrha? Oder nach den alten Geschichten mit Herrn Meier-Müller? Nein, diese bösen Worte von damals haben Sie nicht vergessen! Der hat sich ja auch nie entschuldigt. Irgendwann reicht es.
Sie merken schon: Manchmal geht es unter Christen zu wie in einer Familie. Christen nennen sich schließlich Brüder und Schwestern, Kinder Gottes. Und wo die Geschwister eng verbunden sind, da können Verletzung, Streit und alle starken Gefühle ins Kraut schießen.
Und andersrum: Wo alle super tolerant sind und niemals einer dem anderen auf die Füße tritt, da interessiert sich auch keiner für den anderen. Gleichgültigkeit. Der Preis der Nähe, der Preis der Liebe ist die gelegentliche Kränkung. Egal ob Familie, Partnerschaft oder eben – Gemeinde.
Und nun ein Abschnitt aus dem Ersten Johannesbrief. Es geht um die Liebe zu Gott und um die Liebe unter Glaubens-Geschwistern. Und – es geht um Streit: Es gab damals nämlich Leute, die sagten: Der Christus vom Himmel, der ist gar nicht so ganz hundertprozentig Mensch geworden. Der hat nicht Fleisch und Blut angenommen, das sah nur so aus. Deswegen ist zwar der Mensch Jesus am Kreuz gestorben, aber nicht der göttliche Christus in ihm. Und da sagt „Johannes“: Nein! Christus war GANZ Mensch! Und er hat GANZ Kreuz und Tod durchlitten …
Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, stammt von Gott und jeder, der den Vater liebt, liebt auch den, der von ihm stammt. Wir erkennen, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote erfüllen. Denn die Liebe zu Gott besteht darin, dass wir seine Gebote halten. Seine Gebote sind nicht schwer. Denn alles, was von Gott stammt, besiegt die Welt. Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube. Wer sonst besiegt die Welt, außer dem, der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist? (1. Johannesbrief 5, 1-5)
„Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, stammt von Gott …“. Der Mensch Jesus und der göttliche Christus lassen sich nicht auseinander dividieren.
Was hat das nun mit der Liebe zu tun? Antwort: Meine Liebe zu Gott und meine Liebe zu den Geschwistern im Glauben, die lassen sich auch nicht auseinander dividieren! Liebe und Liebe gehören zusammen!
Wer soll sich diese Antwort nun dick rot anstreichen?
- Diejenigen, die ihre Liebe zu ihrem lieben Gott ausschließlich für sich allein leben wollen. Johannes sagt: Geht nicht! Liebe und Liebe sind nicht zu trennen!
- Diejenigen, die im Streit um den richtigen Glauben, den richtigen Gemeinde-Kurs usw. aus lauter Liebe zu Gott lieblos zu den Geschwistern sind. Johannes sagt: Geht nicht! Liebe und Liebe sind nicht zu trennen!
- Diejenigen, die bestimmte andere persönlich ablehnen – und in ihrer Ablehnung völlig erstarrt sind, dauernd weggucken, nicht mehr grüßen, die Abgelehnten vor anderen schlecht machen. Johannes sagt: Geht nicht! Liebe und Liebe sind nicht zu trennen!
Und nun? Heile, heile Gänschen, Ringelpitz mit Anfassen, alle vertragen sich mal schön? So leicht geht’s dann doch nicht immer. Und Sie sollten es auch nicht für Liebe halten, über jeden Ansatz von Auseinandersetzung die süßliche Harmonie-Soße zu gießen. Und das, was nicht ins Heile-Welt-Bild passen will, unter den großen frommen Teppich zu kehren.
Nein, aber vielleicht so: In Liebe streiten. Einander freundlich ansehen und grüßen, auch bei verhärteten Fronten. Die Sprache wiederfinden. Sich eine ganz unvermutete, überraschende, entwaffnende Liebes-Offensive trauen. Hilfe holen: Wer kann vermitteln, zusammenbringen, moderieren? Nicht nur pflegen, was trennt, sondern was verbindet, und da vor allem: die Liebe zum himmlischen Vater! Und miteinander zu Jesus Christus zu gehören!
Aber das sind fast schon wieder zu viele Schlagworte und Patent-Rezepte. Vielleicht reicht es ja für HEUTE, wenn Sie sich darauf besinnen: Unser himmlischer Vater hat uns durch Jesus Christus zu einer Geschwister-Schar gemacht. Das ist manchmal eine Lust, manchmal ein Frust und eine Last. Diese Gemeinschaft will gelebt, gehegt, gepflegt werden.
Und wenn Sie beim Glauben Einzelgänger sind oder ein christlicher Eiferer oder einer, der sich im verbissenen Nachtragen einen Bruch hebt, dann sollen Sie heute darüber stolpern – und mit der Nase darauf stoßen: Es darf, es soll wieder zusammen wachsen, was unteilbar zusammen gehört: die Liebe zum Gott in Fleisch und Blut und die Liebe zu den Glaubens-Geschwistern aus Fleisch und Blut und gerade mal um die Ecke.
Gebet:
Du weißt um all das Gute, das ich mir nicht allein geben kann, wozu ich die anderen brauche. Ich danke Dir auch für alle hilfreichen An-Stöße, auch wenn sie manchmal stören, vielleicht sogar weh tun.
Ich danke Dir auch für die Möglichkeiten, die Du mir gegeben hast, um anderen Gutes zu tun auf Ihrem Weg! Amen.
Dirk Klute