Andacht April 2015

Von Jesus beten lernen                                                            Anfang Ps 139

Für Jesus wird es eng. Seine Gegner haben konkrete Pläne, ihn zu beseitigen. Ein Informant aus Jesu Sympathisantenkreis hat sich auch gefunden. Mit seiner Hilfe will man die Festnahme ohne großes öffentliches Aufsehen bewerkstelligen.

Jesus ist nicht naiv. Er weiß, was kommt. Seine Jünger nicht. Die wollen es wohl auch gar nicht so genau wissen. Sie werden es gleich noch sehen: Die machen buchstäblich die Augen davor zu. Eben noch hatten Jesus und seine Jünger das Seder-Mahl gehalten, am Vorabend des Passa-Festes. Jesus hatte merkwürdige Worte dazu gesprochen, die gar nicht in den traditionellen Ablauf gehörten: „Das ist mein Leib!“; „Das ist mein Blut !“ Und nun geht es in die Nacht hinaus

Jesus und seine Jünger kamen an eine Stelle am Ölberg, die Gethsemane heißt. Dort sagte er zu ihnen: »Setzt euch hier und wartet, bis ich gebetet habe!«

Jesus will beten. Unter diesem Stichwort, dem Beten, möchte ich mir mit Ihnen die weitere Geschichte anschauen. Denn wie es Jesus hier, in dieser Extremsituation, mit dem Beten hält, davon können Sie und ich etwas für unser Beten lernen.

Zum Gebet lässt Jesus seine Jünger zurück, die sollen auf ihn warten. Jesus sucht die Stille. Das Gebet, das jetzt für ihn dran ist, ist eine Sache zwischen ihm und seinem himmlischen Vater. So hatte er es auch früher immer wieder getan: Sich zum Beten zurückgezogen.

Und miteinander beten? In Gemeinschaft? Das haben alle zusammen gerade noch getan, bevor sie von ihrer Mahl-Feier aufbrachen. Ein Hymnus. Ein gesungenes Gebet. Miteinander und mit Worten, die allen vertraut sind.

Oder noch weiter zurück: Als einmal die Jünger Jesus baten: „Lehre uns beten!“, da hat er ihnen das „Vaterunser“ beigebracht: „Unser Vater“, „unser tägliches Brot“, „unsere Schuld“, „führe uns nicht in Versuchung“, „erlöse uns!“ Das Gebet einer Gemeinschaft als gemeinsames Gebet.

Wovon Jesus gar nichts hielt, das war das Sich-Aufpluster-Gebet vor anderen. Bitte keine demonstrative Frömmigkeit an den Straßenecken und in den Gotteshäusern! Stattdessen: das Gebet „im stillen Kämmerchen“. Und genau so ein Gebet sucht Jesus hier. Eine stille Ecke im nächtlichen Garten. Immer nur zusammen mit anderen beten? – Da würde Entscheidendes fehlen!

Im Gebet dem himmlischen Vater das Herz öffnen, ihm die ganze Not zeigen, ihm die Bitten und Sehnsüchte bringen – anstatt seine Mitmenschen damit zu „belästigen“? Nein, Jesus macht so eine Alternative nicht auf. BEIDES geht. BEIDES soll sein:

Petrus, Jakobus und Johannes jedoch nahm er mit. Von Angst und Grauen gepackt, sagte er zu ihnen: »Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht!«

Diese drei eng Vertrauten sollen – ja, was denn? Ratschläge geben? Probleme wälzen? Ein therapeutisches Angebot machen? Ihm sagen, dass das schon wieder wird, jeder hat schließlich mal eine Krise? Nein, viel menschlicher: In Jesu Nähe bleiben, ihn aushalten, mit ihm wachen!

Dass alle drei Jünger genau darin als Jesu Mit-Menschen versagen, das steht auf einem anderen Blatt. Auch dass dieses Versagen zu keinem dauerhaften Bruch mit Jesus führt. Hier nur so viel: Das Beten darf keine Ausrede sein, um sich zu verschließen und zu isolieren.

Er selbst ging noch ein paar Schritte weiter, warf sich zu Boden …

Jesus wirft sich zu Boden. Bevor er Worte sucht, spricht schon sein Körper.

Und wenn Sie beten? Allein mit Gott? Was sagt da Ihr Körper? Vielleicht vergegenwärtigen Sie sich das einmal: Was sind im Laufe des Tages bei Ihnen typische Zeiten und Augenblicke, typische Orte für’s Beten? Und: Welche Haltung nimmt dort Ihr Körper ein? Der Körper ist womöglich in seiner Haltung Gott gegenüber viel echter, viel ehrlicher als alle Ihre Worte. Und wenn er, der Körper, sich irgendwie hingeflätzt hat und es nicht nötig findet, überhaupt eine erkennbare Haltung Gott gegenüber einzunehmen, dann ist das doch eine ernüchternde Ver-Körperung der eigenen Haltung, oder?

Die Ehrlichkeit des Körpers ist vielleicht ernüchternd. Seine Beeinflussbarkeit aber ermutigend. Sofern Sie körperlich einigermaßen gesund sind, machen Sie sich doch die Mühe, Ihren Körper in eine „passende“ Haltung zu bringen! Jesus wirft sich zu Boden. Und bei Ihnen? Sitzen, Knien, Liegen, Stehen? Gefaltete Hände? Ausgebreitete Hände? Vielleicht ein Kreuz in den Händen oder einen Rosenkranz? Vielleicht ein Gebet-Buch? Ruhiger Körper? Oder in Bewegung? Was passt? Welche Haltung Ihr Körper einnimmt, welche Sie ihm geben, das verdient Ihre Aufmerksamkeit.

(…) »Abba, Vater«, sagte er, …

Zwei Dinge, die ich mir hiervon zu Herzen nehmen und Ihnen ans Herz legen möchte:

  1. Jesus „sagt“. Er „denkt“ nicht nur sein Gebet. Klar: „Du verstehst meine Gedanken von fern“ (Ps. 139). – Wozu die Gedanken dann noch aussprechen? Weil mich das Worte-Finden dazu bringt, die Dinge klarer zu kriegen, sie auf den Punkt zu bringen. Den vielleicht chaotischen Gedankenfluss etwas zu kanalisieren. GOTT mag ja meine Gedanken von fern erkennen. – Aber ich selbst denn auch?? Worte helfen. Ausgesprochene oder geschriebene Worte.
  2. „Abba“, sagt Jesus. Das ist nicht „Vater“, das ist „Papa“. Und zu welchem Gott beten Sie? Gibt es da eine bevorzugte Anrede? Welche ist das? Und: Wie gut passt die zu Jesu „Papa“? Ist es in Ihrer Anrede vorgesehen, dass Gott es gut meint? Dass er ansprechbar ist? Vertrauens-würdig? Selbst in einer Gethsemane-Situation vertrauens-würdig? Also: Schauen Sie mal hin auf Ihre Anreden! Und: Lassen Sie sich unaufdringlich werben für Jesu „Gottes-Bild“!

»… alles ist Dir möglich. Lass diesen bitteren Kelch an mir vorübergehen! Aber nicht wie ich will, sondern wie Du willst.«

Ehrlich statt politisch korrekt. „Politisch korrekt“, das wäre gewesen: „Allmächtiger Gott, vor mir liegt dieser unabänderliche Leidensweg. Ich muss ihn gehen. Bitte gib mir dafür die Kraft!“ Politisch super korrekt wäre gewesen: „Gott, Du bist so wunderbar, dass Du ausgerechnet mich ausersehen hast, diesen Weg der Erlösung für alle Welt zu gehen! Halleluja!“

Aber Jesus betet ehrlich – und nicht politisch korrekt. Er fürchtet den Leidensweg, er will ihn nicht gehen. Will Gott bei seiner Ehre als dem Allmächtigen packen: „Alles ist Dir möglich …“.

Und trotzdem: „Nicht wie ich will, sondern wie Du willst!“ Für mich der Spitzensatz in dieser ganzen Geschichte. Klar, im Bitt-Gebet geht es um meine Hoffnungen, Sehnsüchte, Wünsche. Und um Wunsch-Erfüllung. Aber mehr noch darum: Ich übe mich darin ein, mich Gottes Willen zu unterstellen. Ihn auszuhalten, ihn anzunehmen, auch wenn er mir nicht passt.

Der Rest ist schnell erzählt: Als Jesus vom Beten zurückkommt, sind Petrus, Jakobus und Johannes eingeschlafen. Es wird sich noch zweimal wiederholen – Jesus Gebet, die schlafenden Jünger.

Am Ende war alles für die Katz: Ein unerhörtes Gebet. Nichts da mit „alles ist Dir möglich“. Jesus wird den „Leidens-Kelch“ bis zum letzten Tropfen leeren.

Wirklich „alles“ für die Katz’? Unser Abschnitt endet so:

„Steht auf, lasst uns gehen! Der, der mich verrät, ist da.“ (Markus 14, 32-42)

Aufbruch. Sich dem Verräter stellen und all dem, was jetzt kommt. Ein unerhörtes Gebet, ja. Aber kein nicht-erhörtes Gebet. Sondern ein anders-erhörtes Gebet. Ein schwacher Trost? Mehr vielleicht nicht. Oder: Immerhin.

Gebet:

Abba, Vater! Manchmal ist es so schwer zu glauben, dass Du es gut meinst. Und gut machst. Stärke mein Vertrauen in Dich! Durch Jesus Christus! Amen.