.Der Auferstandene – im Alltag http://alltagsliebe.com/2012/01/06/eine-begegnung-mit-jesus-am-nachmittag/
Es ist alles gesagt. Das Johannes-Evangelium ist zu Ende. Jesus ist gekreuzigt, begraben, auferweckt worden und seinen Freundinnen und Freunden erschienen: zuerst der Maria Magdalena, dann dem Jüngerkreis, zum Schluss noch dem zweifelnden Thomas. Am Ende dann ein Satz an die Leserinnen und Leser, also an uns:
Was aber in diesem Buch steht, wurde aufgeschrieben, damit ihr fest bleibt in dem Glauben, dass Jesus der versprochene Retter ist, der Sohn Gottes. Wenn ihr das tut, habt ihr durch ihn das Leben. (Johannes 20,31)
Aber dann, vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt, fängt der Evangelist doch noch mal an. Es ist offenbar doch noch nicht alles gesagt:
Später zeigte sich Jesus seinen Jüngern noch einmal am See von Tiberias. Das geschah so: Einige von ihnen waren dort am See beisammen – Simon Petrus, Thomas, der auch Zwilling genannt wurde, Natanael aus Kana in Galiläa, die Söhne von Zebedäus und zwei andere Jünger. Simon Petrus sagte zu den anderen: »Ich gehe fischen!« »Wir kommen mit«, sagten sie. Gemeinsam gingen sie zum See und stiegen ins Boot. Aber während der ganzen Nacht fingen sie nichts. (Joh 21,1 ff.)
Na, kommt Ihnen da was bekannt vor? Ja klar, ganz am Anfang der Evangelien! Damals, als das alles losging mit Jesus für seine Jünger! Fischen im See Genezareth, wie damals. Teilweise dieselben Namen der Jünger. Und der erfolglose Fang. Auch wie damals.
Es wurde schon Morgen, da stand Jesus am Ufer. Die Jünger wussten aber nicht, dass es Jesus war. Er redete sie an: »Kinder, habt ihr nicht ein paar Fische?« »Nein, keinen einzigen!«, antworteten sie. Er sagte zu ihnen: »Werft euer Netz an der rechten Bootsseite aus! Dort werdet ihr welche finden.« Sie warfen das Netz aus und fingen so viele Fische, dass sie das Netz nicht ins Boot ziehen konnten.
Der Jünger, den Jesus besonders lieb hatte, sagte zu Petrus: »Es ist der Herr!« Als Simon Petrus das hörte, warf er sich das Obergewand über, band es hoch und sprang ins Wasser. Er hatte es nämlich zum Arbeiten abgelegt. Die anderen Jünger ruderten das Boot an Land – es waren noch etwa hundert Meter – und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her.
Zuerst wie beim „wunderbaren Fischzug“ damals, als Petrus es zum ersten Mal mit dem Rabbi Jesus zu tun bekam. Aber dann: Als Petrus jetzt begreift, mit wem er es zu tun hat, sagt er nicht wie damals: „Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch!“ Nein, diesmal will er nicht weg, sondern er kann gar nicht schnell genug hinkommen zu Jesus. Also springt er ins Wasser.
Als sie an Land gingen, sahen sie ein Holzkohlenfeuer mit Fischen darauf, auch Brot lag dabei. Jesus sagte zu ihnen: »Bringt ein paar von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt!« Simon Petrus ging zum Boot und zog das Netz an Land. Es war voll von großen Fischen, genau 153. Aber das Netz riss nicht, obwohl es so viele waren.
Die Geschichte wird immer skurriler: Da mühen sich die Fischer noch mal richtig ab, und sie bringen nun einen prächtigen Fang mit – und dann sind da plötzlich schon Fische, Brot, ein Grill-Feuer. Weiß der Himmel, wo das auf einmal alles her kommt. Brot und Fische – wie früher bei der wundersamen Speisung der Vielen. Damals war klar, woher es kam, aber es war unklar, warum es auf einmal für so viele reichte.
Die Fischer sollen noch ein paar von ihren Fischen beisteuern, und Simon Petrus holt sie. Erst zusammen mit einigen der 153 Fische der Jünger ist das Mahl komplett.
Jesus sagte zu ihnen: »Kommt her und esst!« Keiner von den Jüngern wagte zu fragen: »Wer bist du?« Sie wussten, dass es der Herr war. Jesus trat zu ihnen, nahm das Brot und verteilte es unter sie, ebenso die Fische. Dies war das dritte Mal, dass sich Jesus seinen Jüngern zeigte, seit er vom Tod auferstanden war.
Der Höhepunkt. Fischer, die zusammen sitzen und essen. Schweigend, ergriffen. Weil Christus lebendig unter ihnen ist – und unter ihnen lebendig ist. Und weil er ihnen gibt, wovon sie leben.
Eine ganz fremd anmutende Geschichte. Sie wirft so viele Fragen auf: Wieso die Anrede „Kinder“? Wieso sollen die Netze zur rechten Boots-Seite ausgeworfen werden? Woher kommen die Fische, die schon auf dem Feuer liegen, woher das Brot? Warum ausgerechnet 153 große Fische? Sollte es etwa Zufall sein, dass man damals weltweit 153 Fischarten kannte? Und wer hat sie in dieser Situation gezählt? Warum sind die Netze nicht zerrissen? Warum erkennen die Jünger Christus nicht sofort? Aber vor allem: Warum musste der Evangelist ausgerechnet diese Geschichte nachschieben? Auf die letzte Frage,, meine ich, habe ich eine Antwort:
Es schließt sich ein Kreis. Der Evangelist lässt die Geschichte der Jünger mit Jesus dort enden, wo sie angefangen hat: in Galiläa, am See Tiberias (oder Genezareth), mitten in dem ganz gewöhnlichen, harten, zuweilen enttäuschenden Berufsalltag von Fischern. Wäre Christus hier nicht erschienen, man könnte meinen: die Sache mit Jesus, das war eine schöne Episode mit schrecklichem Tiefpunkt am Kreuz und einem Happy End für die Osterfeiertage, und danach ist alles, wie es war. Wie so ein Fischzug: Hoffnung, Arbeit und Mühe, mehr oder weniger Erfolg – und danach muss es dann ja irgendwie weitergehen.
Aber nun wird in diesem Fischer-Alltag von Leuten, die hier überhaupt nichts von Aposteln an sich haben, die erste Begegnung mit Jesus wieder lebendig. Etappen des Weges mit ihm klingen an, alte Geschichten werden gegenwärtig. Die Sehnsucht wird groß, bei ihm zu sein. Aber es bleibt nicht bei der Nostalgie. Sie erkennen ihn zwar nicht sofort, er ist irgendwie verborgen, und trotzdem: Der auferstandene Jesus ist unter ihnen. Ganz anders als gewohnt, so fremd – und doch derselbe. Er lädt sie zu Tisch. Fisch und Brot. Die Jünger steuern von ihrem Fang noch etwas bei. Viele Worte sind jetzt nicht nötig. Die Tischgemeinschaft ist vollständig. Ein Hauch von Ewigkeit mitten im Alltag. Seine Nähe macht das.
Gut, dass der Evangelist nach dem ersten Schluss noch nicht Schluss gemacht hat. Gut, dass Ostern nicht eine Woche nach Ostern endet, als Christus Thomas begegnet ist. Gut, dass Christus nicht nur in der Tempel-Stadt Jerusalem erscheint, sondern dass er bis in den Alltag des Sees Genezareth kommt, in den Berufsstress und in die Misserfolge hinein. Gut, dass auch Erinnerungen des eigenen Glaubensweges neu zum Klingen kommen – auch von damals, als alles anfing.
Und nun zu Ihnen. Die Nachricht, dass Christus auferstanden ist, hat wahrscheinlich bisher nicht Ihren kompletten Alltag umgekrempelt. Aber hoffentlich überdeckt Ihr Alltag auch nicht seine Nähe. Mag sein, Sie erkennen ihn nicht, wie er da am Ufer steht und sagt: „Na, nichts gefangen?“ Mag sein, Sie lassen sich ermutigen, noch mal die Netze auszuwerfen, es nochmal zu versuchen, auch wenn Sie nicht begreifen, wer das ist, der Ihnen da Mut macht. Es kann aber auch sein, dass es Ihnen aufgeht oder auf den Kopf zugesprochen wird – wie dem Petrus: „Es ist der Herr!“ – und Sie einen kühnen Sprung wagen. Und es kann sein, dass Ihnen mitten in Ihrem gewohnten Leben eine Gemeinschaft von Glaubenden geschenkt wird, und Christus ist mitten drin. So, dass es keine Worte und keine Erklärungen braucht. Ein Hauch von Ewigkeit. Mitten im Alltag.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, dass Ostern immer wieder in Ihrem ganz normalen Leben aufblitzt, auch dann noch, wenn Ostern eigentlich schon wieder vorbei ist. Und dass Ihnen die Sehnsucht nach seiner Nähe groß wird und groß bleibt.
Gebet:
Christus, so oft gehst Du mir unter. In meinem Alltag. In den Belastungen, Sorgen Enttäuschungen. In der Arbeitsmühle. Zwischen den vielen Terminen – oder in der Ödnis von Langeweile und Sinnlosigkeit. Manchmal auch in meinen Freuden und in meiner Begeisterung. Christus, ich möchte Dich glauben, Dich spüren, Dich erkennen! Mitten in meinem Alltag. Verbirg Dich nicht! Und lass mich wach sein für Dich! Amen.