Schadenfreude … Römer 12, 17-21
… ist die schönste Freude, sagt der Volksmund. Auch IHRE schönste Freude? Das werden Sie auf Anhieb klar verneinen. So eine, so einer sind Sie nicht!
Aber wenn Sie nachdenken, werden Sie bei sich wohl doch fündig, was die Schadenfreude angeht. Wenigstens als stille Freude. Auf ein paar Beispiele werden Sie wohl schon kommen, wo Ihnen Pleiten, Pech und Pannen bestimmter Mitmenschen Freude bereitet haben. Jedenfalls kleine Freuden.
Das mit der Schadenfreude ist natürlich geheim. Sonst geht es Ihnen so wie Fritzchen:
Mutter: Aber Fritzchen, warum weinst Du denn???
Fritzchen (heult): Papa hat sich mit dem Hammer auf den Daumen gehauen!
Mutter: Aber Fritzchen, das ist doch nicht zum Weinen, das ist zum Lachen!
Fritzchen: Das habe ich ja zuerst auch getan …
Tja, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Sagt der Volksmund. Und wer den Schaden hat und den Spott der anderen hört, kann sich nicht unbedingt mitfreuen, siehe Fritzchens Vater.
Wenn Sie als der oder die Geschädigte aber doch mit lachen können, dann wird Ihre Pleite, Ihr Pech, Ihre Panne, Ihre Peinlichkeit wohl nicht gar so groß gewesen sein. Und: Es zeugt von Ihrer persönlichen Größe, über sich selbst lachen zu können, und zwar nicht nur über Ihren tollen Witz, sondern auch über Ihr Missgeschick. Wer sich an solchen Stellen nicht gar so bierernst nimmt, hat wohl ein ganz gutes Selbstwertgefühl. Da ist es dann nicht so schlimm, wenn was schief geht oder wenn Sie ein Fettnäpfchen erwischt haben. Na ja, die Größe hatte Fritzchens Vater nicht. Oder der Daumen tat zu weh. Wollen wir hoffen, er hat später Fritzchen um Verzeihung gebeten. Um Verzeihung bitten – auch ein Symptom persönlicher Größe.
Sie sind noch nicht von der Kraft Ihrer Schadenfreude überzeugt? Dann erinnern Sie sich bitte, wie das war, als Sie mal Stan Laurel und Oliver Hardy geguckt haben. Allein schon die Bezeichnung „Dick und Doof“ ist ja nicht sehr charmant und hat was von Schadenfreude. Aber worüber Sie vor allem lachen: Da folgt ja ein Missgeschick und eine Katastrophe der anderen. Das Publikum lacht genau an den Stellen, wo die Betroffenen gerade gar nichts zu lachen haben.
Es gibt da aber noch einen Unterschied zwischen dem Dicken und dem Doofen: Der Doofe ist doof, aber gutmütig. Der Dicke dagegen weiß alles besser, ist überheblich und manchmal gemein. Deswegen trifft vor allem ihn das Unglück, deswegen können wir im Zusammenhang mit Oliver Hardy an unserem eigenen Leibe am besten spüren, wie sich Schadenfreude anfühlt. Wenn es den Dicken trifft, dann geschieht ihm das recht! Der hat es nicht anders verdient! Und die Welt ist manchmal DOCH gerecht!
Das gilt auch jenseits von Dick und Doof. Sie werden unmöglich auch nur den Hauch von Schadenfreude empfinden, wenn einen lieben Menschen völlig unschuldig ein großes Unglück trifft. Aber wenn einen bösen Menschen wenigstens so ein kleines selbstverschuldetes Unglück trifft, dann schon. Wer im Unglücks-Fall am ehesten Ihre Schadenfreude bekommt, würde im Glücks-Fall am ehesten Ihren Neid und Ihre Missgunst bekommen. Missgunst und Schadenfreude sind Geschwister, sind eineiige Zwillinge. „Dieser Misserfolg geschieht dem recht!“ und „Ich missgönne ihm seinen Erfolg!“, das ist das Gleiche in grün.
Ob Neid, Missgunst und Schadenfreude besonders häufig unter Geschwistern vorkommt, weiß ich nicht. Könnte aber sein, wegen der Konkurrenz um die Liebe der Eltern. Also dann, wenn die Eltern ihre Zuwendung sehr ungleich verteilen – oder wenn es sich wenigstens so anfühlt. So ein vermurkstes Geschwister-Verhältnis haben wir in der Bibel ausgerechnet bei den Zwillingen Jakob und Esau. Jakob ist Mamas Liebling, Esau der von Papa. Daraus entspinnen sich Hass, Intrige, Mordabsichten. Die Versöhnung kommt erst Jahrzehnte später, und ganz zum Schluss werden beide gemeinsam ihren alten Vater bestatten. Aus Jakobs Nachkommen wird das Volk Israel, aus Esaus Nachkommen das Volk Edom.
Und nun zum Propheten Obadja. Von dem haben Sie wahrscheinlich noch nie etwas gehört. Das Buch Obadja hat auch nur ein einziges Kapitel. Man weiß noch nicht mal, ob Obadja so hieß oder ob das mehr eine Art Titel ist („Knecht Gottes“).
Was man weiß: Israel ist am Boden zerstört. Da steht wohl das Katastrophenjahr 587 v.Chr. im Hintergrund, als die Babylonier nach Jahren der Belagerung Jerusalem mit dem Tempel zerstören und viele Menschen deportieren und andere töten.
Und die Edomiter? Denen passt es gut, dass der Zwillingsbruder so am Boden ist. Schadenfreude. Dafür greift Obadja nun die Edomiter an und sagt ihnen allerlei Schlimmes voraus. Vielleicht eine Art vorweggenommene Gegen-Schadenfreude? Eine Rache-Phantasie? Vielleicht. Propheten sind ja auch nur Menschen. Fakt ist, dass Edom im Jahre 332 v.Chr. untergeht. Fakt ist allerdings auch, dass die Reiche der Menschen sowieso alle paar Jahrhunderte untergehen, und die, die sich „1000jährig“ nennen, halten nur 12 Jahre.
Hier ein Auszug aus dem Obadja-Buch – an die Edomiter:
Du sollst nicht mehr herabsehen auf deinen Bruder zur Zeit seines Elends und sollst dich nicht freuen über die Kinder Juda zur Zeit ihres Jammers und sollst mit deinem Mund nicht so stolz reden zur Zeit ihrer Angst. Du sollst nicht zum Tor meines Volks einziehen zur Zeit seines Jammers; du sollst nicht herabsehen auf sein Unglück zur Zeit seines Jammers; du sollst nicht nach seinem Gut greifen zur Zeit seines Jammers. Du sollst nicht stehen an den Fluchtwegen, um seine Entronnenen zu morden; du sollst seine Übriggebliebenen nicht verraten zur Zeit der Angst. (Obadja 12-14)
„Du sollst nicht!“ Das klingt wie in den Zehn Geboten. Hier aber nur achtmal. Wie eingehämmert. Obadja diskutiert nicht. Er geht nicht auf die Vorgeschichte zwischen den Völkern ein und wer wem was angetan hat. Er wägt auch nicht die Mitschuld seines eigenen Volkes an seiner „Zeit des Jammers“ ab – das tun andere Propheten. Nein, einfach dieses: „Du sollst nicht!“ Klingt nach „Basta!“
Das „Du sollst nicht!“ ist hier wie in den Zehn Geboten sehr ehrlich: Das „Du SOLLST nicht!“ muss ich mir nur sagen lassen, wenn ich das Verbotene eigentlich gern WILL, wenn es mich lockt, das zu tun. Eigentlich unterstellen uns die Zehn Gebote, dass wir potentielle Diebe, Mörder und Ehebrecher sind. Das ist wohl nicht ganz Ihr oder mein Selbstbild. Aber vielleicht zutreffender, als uns lieb ist.
„Du sollst nicht“ – ja, was denn nicht?
- Mein Blick, meine Haltung zum anderen: „nicht herabsehen“.
- Mein Gefühl: Eben keine Schadenfreude: „dich nicht freuen …“
- Meine Worte: „nicht stolz reden“.
- Achten, was der andere hat: „nicht zum Tor einziehen“, „nicht nach seinem Gut greifen“.
- Das Leben achten: „nicht morden“.
- Solidarität, Beschützen: die „Übriggebliebenen nicht verraten“.
Da steckt natürlich ganz viel drin im Blick auf unsere ganz klaren Pflichten gegenüber Verfolgten auf der Welt. Für unser Thema „Schadenfreude“ würde ich es so sagen:
- Lachen Sie weiter über Dick und Doof!
- Lernen Sie, sich nicht zu ernst zu nehmen; lachen Sie über sich selbst!
- Lachen Sie über andere – WENN die anderen ehrlich mit lachen können!
- Und wenn der andere nichts zu lachen hat: Bleiben Sie bei seiner Not, statt aufzurechnen!
Basta. – Um Gottes willen, von dessen Liebe, Freundlichkeit und großer Güte auch Sie und ich leben.
Gebet (aus: Die güldne Sonne)
Lass mich mit Freuden / ohn alles Neiden / sehen den Segen, / den du wirst legen / in meines Bruders und Nächsten Haus. Geiziges Brennen, / unchristliches Rennen / nach Gut mit Sünde, / das tilge geschwinde / von meinem Herzen und wirf es hinaus.