Andacht Dezember

Erster Advent: Die Tür

Psalm 23 // Psalm 100

 

Advent – „Ankunft“. Wer oder was kommt da an? Das weiß doch jeder: Weihnachten! Oder „das Christkind“. Christen haben eine Antwort, die NICHT jeder weiß – aber wissen sollte: Jesus Christus!

„Jesus“ ist ein Name, ein ziemlich gebräuchlicher in der Zeit Jesu. „Christus“ ist aber nicht etwa der Nachname. „Christus“ bedeutet: „Der Gesalbte“. Auf Hebräisch: „Messias“. Der versprochene Retter. Also: Wenn Sie „Jesus Christus“ sagen, haben Sie damit nicht einen Namen, sondern ein Glaubensbekenntnis gesprochen. Manchmal macht so ein Wissen das Reden etwas schwerer: Bevor Sie das Wörtchen „Christus“ aussprechen, müssen Sie nämlich für sich klar haben, ob dieses Bekenntnis zu Ihrem Glauben passt. Wenn nein, nicht mal ungefähr, lassen Sie das Wörtchen besser weg.

 

Advent – Ankunft. Wer kommt? Jesus. – Christus! Und genauer? Dazu möchte ich mit Ihnen in den nächsten Wochen fünf der sieben „Ich bin“-Worte Jesu anschauen, wie sie allesamt im Johannes-Evangelium stehen. Heute ein Wort, das nahe liegt, wenn Sie einen Advents­kalen­der haben:

 

 

Ich bin die Tür. (Johannes 10, 7.9)

 

 

Ich weiß nicht, wie es Ihnen da geht, aber MIR fallen Türen meist nicht besonders auf. Höchstens, wenn mir der Schlüssel fehlt.

Allerdings habe ich Türen ins Zentrum meiner Aufmerksamkeit gerückt: Ich wohne seit 1987 in Münster. Und vor einiger Zeit habe ich mir mal die Mühe gemacht, die meisten derjenigen Eingangstüren in Münster zu fotografieren, die für mich seit 1987 bedeutsam waren oder noch sind: Hinter dieser Tür habe ich studiert, hinter jener für mich gewohnt, hinter der da meine erste WG, dort meine erste große Liebe, da die Tür, hinter der Hans-Joachim Friedrich in den Tagesthemen die Maueröffnung verkündet hat. Und, und, und …

 

Die aktuellste Tür ist unsere neue Haustür von vor ein paar Monaten. Die alte klemmte manchmal, sie isolierte schlecht, sie blieb offen stehen, wenn jemand sie nicht hinter sich zu zog. Vor allem: Ein Einbrecher hätte leichtes Spiel mit ihr gehabt. Durch die neue Tür kommt man gut hindurch, sie schließt von selbst hinter einem, sie hält die Wärme drinnen, sie schließt automatisch hinter einem ab. Man kann durch das Türglas auch nicht sehen, was im Haus so passiert.

 

Eine Tür TRENNT. Das Drinnen und das Draußen. Die Wärme und die Kälte. Die Gefahren und den Schutzraum. Das „Öffentliche“ und das „Private“. Die Geborgenheit und die Weite. Der Otto-Normalbürger geht mehrfach täglich durch so eine Tür – hinein in die große, weite Welt, zurück „nach Hause“. Wenn jemand NICHT die Haustür benutzt, dann hat er ein Problem: Ein „Stubenhocker“ vielleicht, weil ihn eine Krankheit, die Angst, die Depression, die Lustlosigkeit, die Sucht, ein zu pflegender Angehöriger oder, oder ans Haus fesselt. Oder umgekehrt: ein Obdachloser. Der ist immer auf der Straße, der hat kein zu Hause.

Oder: Einer benutzt nicht die Haustür, weil er das Fenster nimmt. Ein Einbrecher. Oder ein heimlicher Liebhaber.

 

Nun vergleicht sich Jesus nicht mit irgendeiner Tür, sondern mit der Tür des Schafstalls. Und damit ist klar, was Ihr und mein Platz in diesem Bild ist: das des Schafes.

Zweimal sagt Jesus in unserem Kapitel dieses „Ich bin die Tür.“ Das erste Mal:

 

 

„Ich bin die Tür zu den Schafen.“ (Johannes 10, 7)

 

 

Wenn Sie den Zusammenhang lesen, sehen Sie: Da geht es um Schutz und Sicherheit für die Schafe. Denn die Schafe sind bedroht: Es gibt Schafdiebe. Die legen es darauf an, Schafe zu stehlen und zu schlachten. Und Jesus sagt nun: Die Diebe kommen nicht durch die Tür. Sondern die kommen auf anderem Wege zu mir als Schaf. Über die Mauer, über den Zaun, durch’s Fenster, wie auch immer. Aber jedenfalls nicht durch die Tür. Was heißt das für mich als Schaf? Das heißt: Der Blick zur Tür hilft mir dabei zu erkennen: Will der, der da auf mich zukommt, mir Gutes? Oder geht es dem nur um sein eigenes Interesse?

 

Es muss zu Jesus passen, es muss sozusagen durch diese Türöffnung gehen. Was keineswegs heißt, dass jeder, der den Namen Jesus oft im Munde führt, mir automatisch Gutes will. Oder tatsächlich gut für mich ist, obwohl er mir Gutes will. Das wäre genauso Quatsch wie die Annahme, dass jeder, der mit Jesus so gar nichts am Hut hat, schlecht für mich wäre. Nein, beides wäre zu oberflächlich. Mehr so: Ist das, was der andere für mich ist oder mir bringt, in Jesu Geist, in seinem Sinne? Deckt sich das mit dem, was Jesus mir sein und mir geben will? Kurz und knapp: An der Tür erkenne ich, wer da zu mir kommt.

Und das zweite Mal „Ich bin die Tür“:

 

 

Ich bin die Tür. Wenn jemand durch mich eintritt, wird er gerettet werden. Er wird ein- und ausgehen und gute Weide finden. (Johannes 10, 9)

 

 

Hier sind es jetzt nicht „die anderen“, die in den Schafstall gehen, sondern es sind die Schafe selbst, die diese Tür nutzen. Und zwar in beide Richtungen: Die Schafe gehen in den Stall. Sie finden dort „Rettung“, also Schutz vor Dieben und Raubtieren. Und sie gehen hinaus und finden „gute Weide“. Es ist bei den Schafen eben wie beim Otto-Normalbürger: Sie sind nicht immer nur auf der Weide. Und sie sind nicht immer nur im Stall. Es ist der Wechsel.

 

Jesus stellt sich hier als die Tür in beide Richtungen vor: Er will mir Heimat und Geborgenheit schenken. Und er will mir Weite und „gute Weide“ geben. Das Schaf wird „ein- und ausgehen“. Es geht also nicht in erster Linie um das große Finale am Ende meines Lebens oder am Ende der Zeit, platt gesagt: nicht um Jesus als die „Tür in den Himmel“. Das auch. Aber vor allem um mein Schaf-Sein hier auf dieser Erde und in meinem kleinen Leben. Der Wechsel von Geborgenheit und Weite. Das alles nicht ohne ihn. Er will meine Tür sein. Er will mir das ermöglichen, er will, dass dieser Wechsel gelingt – und alles zu seiner Zeit.

 

Alles zu seiner Zeit – etwa so: Der Raum, der mir eigentlich Geborgenheit geben soll, er kann mir auch zu eng werden, zu muffig, ich bin wie eingemauert. Dann will mir Jesus die Tür in die Weite sein. Auf ihn schauen – und aufbrechen. Kleine Schritte wagen oder ganz große.

Und umgekehrt: Es kann sein, dass mir die Weite zu weit ist, dass ich mich und die anderen verliere, dass mich die vielen Möglichkeiten überfordern, dass es mir zu unübersichtlich ist und zu gefährlich. Dann hat der Blick auf die Schafstalltür etwas Einladendes: „Komm nach Hause! Zur Herde! Es wird etwas enger, ja. Aber auch wärmer. Und sicherer!“

Jesus – die Tür. Er sagt damit etwas über sich. Aber er sagt mindestens genauso viel über mich – wer ich sein kann, wie ich leben kann als Schaf in seiner Herde.

 

 

Gebet:

Christus, Du bist die Tür. Ich will auf Dich sehen, auf Dich zugehen, um ins Weite zu kommen und Weide zu finden. Du bist die Tür. Ich will auf Dich sehen, um nach Hause zu kommen, Geborgenheit zu finden. Lass mich ein- und ausgehen und durch Dich Leben finden! Amen.