Jahresdienstgespräch mit Christus Heilandsruf
„Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen!“, sagt Helmut Schmidt – und macht es sich zu einfach. Der Seher Johannes auf der Insel Patmos hat Visionen in schwerer Zeit. Wir befinden uns so um das Jahr 90. In weiten Teilen des Römischen Reiches ist der Kaiserkult eingeführt worden. Der Kaiser ist jetzt eine Gottheit und muss kultisch verehrt werden. So eine Art Nagelprobe, wie es um die Staatstreue seiner Bürger bestellt ist.
Für die christlichen Gemeinden ist das eine doppelte Bedrohung: Von außen, denn wer nicht mitmacht, riskiert sein Leben. Die ersten Märtyrer hat es schon gegeben. Oder aber von innen, denn wer mitmacht, höhlt seine Treue zu Gott aus. Schärfer gesagt: Der verrät seinen Glauben, seinen Gott und irgendwie auch seine Mitchristen. Die ganze Offenbarung mit ihren teils schlimmen Visionen ist eigentlich ein einziger Appell, Gott und dem eigenen christlichen Glauben treu zu bleiben, nicht dem Staat und dem Kaiser.
Vor den großen Visionen stehen am Anfang der Offenbarung die „kleine“ Visionen: Christus erscheint Johannes – und hat „Sendschreiben“ für sieben christliche Gemeinden in „Kleinasien“, heute Türkei. Inhalt der Sendschreiben: Hauptsächlich „Rückmeldungen“: Mal scharfe Kritik, mal großes Lob, mal teils-teils.
Mich erinnert das an ein „Jahresdienstgespräch“. Vielleicht kennen Sie Jahresdienstgespräche. Die gibt es oft in Firmen, Behörden und überhaupt in der Arbeitswelt. Der Untergebene trifft sich mit seinem Chef. Man guckt gemeinsam, was beide miteinander vor einem Jahr besprochen und notiert hat. – Wie ist es seitdem gelaufen? Welche Erfolge, Misserfolge, Schwierigkeiten gab und gibt es? Und dann: die „Zielvereinbarung“: Es wird notiert, was alles verbessert, gesteigert, geändert werden soll. Denn schließlich: Auch wer gut ist, kann doch noch besser werden. – Oder etwas nicht ?!
So, und nun ein kleiner Auszug aus dem „Jahresdienstgespräch“, dem Sendschreiben an die Gemeinde in Philadelphia. Es fängt an mit der Rückmeldung:
Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe eine geöffnete Tür vor dir gegeben, die niemand schließen kann; denn du hast eine kleine Kraft …
„Kleine Kraft“, das hört kaum ein Untergebener gern von seinem Chef. Stark sein ist angesagt! Aber hier ist das wohl ein bisschen anders: Die Sache mit der offenen Tür, das bedeutet doch: Christus selbst als „der Chef“ hat seinen Leuten in Philadelphia etwas eröffnet, einen Zugang verschafft. Einen Zugang wozu? Das bleibt hier so offen wie die Tür. Lebens-Möglichkeiten vielleicht, trotz Angst und Bedrohung? Oder eine große Zukunft – obwohl andere einem ans Leben wollen? Vielleicht gar Missions-Möglichkeiten? Andere zum Glauben einladen?
Und wenn diese Tür niemand schließen kann, dann bedeutet das doch: Es hängt NICHT an der kleinen Kraft und ihren Grenzen. Sondern daran, dass der Chef, Christus selbst, diese Tür geöffnet hat. Dahinter kann keine kleine Kraft der verfolgten Christen und kein römischer Gott-Kaiser zurück.
Also: „Kleine Kraft“ ist ok! Vielleicht: Richtig gut! So positiv geht die Rückmeldung weiter:
… und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.
Positiv – und doch so anders als das Lob eines „typischen Chefs“: keine verbesserten Zahlen, keine neuen Projekte, keine Erfolge. Nein, worauf es DIESEM Chef ankommt, das ist schnell gesagt. Dabei klingt es ziemlich „passiv“. Keine großen Aktionen, sondern Treue! – „… mein Wort bewahrt“; „meinen Namen nicht verleugnet“. Punkt. Mehr eine Haltung, jedenfalls kein emsiges Tun, keine Betriebsamkeit, keine besseren Zahlen.
Und dann etwas später:
(…) Weil du das Wort vom Harren auf mich bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird (…)
Ich komme bald. Halte fest, was du hast, damit niemand deinen Siegeskranz nehme! (aus: Offenbarung 3, 7-11)
Mir kommt es hier besonders auf dieses „Halte fest, was Du hast!“ an. Das ist wichtig für den „Siegeskranz“. Den gibt es bei antiken Sport-Wettkämpfen, so wie heute bei den olympischen Spielen die Goldmedaille für den Allerbesten.
Und jetzt ein Detail: Die Philadelphia-Gemeinde soll NICHT den Siegeskranz bekommen! – Wieso nicht? Weil sie ihn schon HAT! Nur weil sie ihn schon hat, soll ihr den nun auch keiner nehmen!
Das ist krass: Ein Grüppchen von Christinnen und Christen, an Leib und Leben bedroht, mit kleiner Kraft, soll sich als Sieger fühlen! Wie der Athlet, der als Erster durch’s Ziel läuft, der es geschafft hat, der geschafft ist und doch von Herzen jubeln kann! Christus an seiner Seite zu wissen, das scheint schwachen Leuten ein kräftiges Trotzdem-Siegesgefühl geben zu können! Und an diesem Christus festzuhalten, das bedeutet dann auch: Meinen Siegeskranz kann mir keiner nehmen! Er ist ja an meiner Seite!
Noch etwas: Den normalen Siegeskranz kann immer nur einer bekommen – der Schnellste, Höchste, Beste. Die anderen gehen leer aus. Das ist mit dem Christus-Siegeskranz völlig anders. Außerdem: Hier bekommt diesen Christus-Siegeskranz nicht die schnellste, höchste, beste, aktivste, gläubigste, tapferste und überhaupt tollste Gemeinde zugesprochen, sondern ein schwaches Häufchen – in seiner Treue zu Christus und seinem Wort.
Ich meine: Was für dieses schwache Christen-Häufchen gilt, das gilt auch für Sie und mich als Einzel-Personen: Sie werden das mit der „kleinen Kraft“ kennen. Und wenn nicht, dann steht Ihnen diese Erfahrung noch bevor. – Kleiner, als Sie sie unbedingt zu brauchen meinen. Und da wäre es dann Christus, der Ihnen sagt: „Es ist gut so! Es ist genug! Hör auf damit, dass es immer und immer besser sein muss! Sondern: Halte, was Du hast! – Deine Treue zu mir! Und was für eine Figur auch immer Du nach außen oder innen abgibst: Du trägst meinen Siegeskranz, Du darfst als Sieger leben. Das lass Dir nicht nehmen!“
Gebet:
Christus, so schnell bin ich dabei, mir selbst einzureden, dass es nicht reicht. Dass es nicht genug ist. Dass ICH nicht genüge. Danke, dass Du etwas anderes, wirklich Gutes für mich hast! Dazu hilf mir, Deinem Wort treu zu bleiben und mich darauf zu verlassen! Amen.