Andacht Juni 2015

Pfingstliche Weg-Weisung                                  Mk 6: Aussendung der Jünger

Nochmal Pfingsten – Fest des „Heiligen Geistes“. „Heiliger Geist“ – eine Formulierung, die nicht gerade in aller Munde ist. Nicht mal unter Christen. Dann scheint er ja wohl nicht so wichtig zu sein. – Oder wofür brauchen Sie den Heiligen Geist?

Ketzerische Frage, finde ich. Und zwar wegen des „Brauchens“. Fast alle wirklich wichtigen Dinge im Leben können Sie sich nämlich damit entwerten, dass Sie fragen, wofür Sie das denn „brauchen“, was denn der Zweck davon ist, wofür das gut ist.

Beispiel: Während ich dies schreibe, liegt mir unser Hund schlafend auf dem Schoß. Das ist schön. Das ist innig. Wenn ich jetzt aber frage: „Wofür brauche ich den Hund?“, na ja, dann kommt dabei heraus: Er bellt bei ungebetenen Gästen (leider auch bei gebetenen). Klingt nicht so fürchterlich wichtig. Oder Sie haben eine erfüllende Arbeit, einen lieben Partner, ein interessantes Hobby, einen besten Freund, eine große Lebens-Aufgabe, ein reiches Gebets­leben, oder, oder. – Wenn Sie sich nun fragen, wofür Sie das denn brauchen, verändert sich sofort der gefühlte Wert nach unten. Weil durch die Frage ein Wert an sich zu einem bloßen, manchmal dürftigen „Mittel“ wird. Übrigens zugleich ein „Mittel“, was man schnell entsorgen und ersetzen kann, wenn es nicht mehr viel taugt.

Am Ende der Schöpfung sieht Gott alles an – „und siehe, es war sehr gut!“ Auch da könnte ich fragen: „Sehr gut – WOFÜR?“ Ich habe die Vermutung: Auf DIE Frage hätte nicht mal Gott eine Antwort. Weil das nun wirklich eine ganz dumme Frage ist. Und eine zerstörerische Frage. Denn: Die Schöpfung ist in sich kostbar. Aber zu nichts „nütze“.

Jetzt trotzdem die ketzerische Frage: Wofür brauchen Sie den Heiligen Geist?

  • Erste Antwort: Zum Glauben! Zum Gott-Vertrauen!
  • Zweite Antwort: Zur Gemeinschaft! Dieser Geist verbindet glaubende Menschen.
  • Dritte Antwort: Zum Geister-Unterscheiden! Der Heilige Geist hilft dabei, die problematischen Seiten des Zeit-Geistes zu erkennen. Vielleicht gibt er auch die Kraft, an den passenden Stellen gegen den Strom des Zeit-Geistes zu schwimmen.
  • Vierte Antwort: Zum Jesus nennt den Geist immer wieder den „Tröster“.

Die Liste ist nicht vollständig. Um eine fünfte Antwort soll es jetzt ausführlicher gehen: Der Heilige Geist gibt Weg-Weisung!

Nachdem der Apostel Paulus mit seinem Missionars-Kollegen Barnabas Streit gehabt hat, gehen sie getrennte Wege. Wer „im Namen des Herrn unterwegs“ ist, ist aber in aller Regel Team-Player, und deswegen heißt die neue Mannschaft für die zweite Missionsreise: Paulus, Timotheus, Silas. Wie die erste Reise findet die zweite im asiatischen Teil der heutigen Türkei statt, aber nicht nur in den bereits bereisten Ecken. – Und jetzt können sie mal laut lesen:

Sie zogen aber durch Phrygien und das Land Galatien, da ihnen vom Heiligen Geist verwehrt wurde, das Wort zu predigen in der Provinz Asien. Als sie aber bis nach Mysien gekommen waren, versuchten sie, nach Bithynien zu reisen. Doch der Geist Jesu ließ es ihnen nicht zu. Da zogen sie durch Mysien und kamen hinab nach Troas.

Was mich am meisten interessiert, bleibt hier leider unbeantwortet. Nämlich: WIE hat der „Heilige Geist“ bzw. der „Geist Jesu“ das denn gemacht? Wie hat er „verwehrt“, wie hat er „nicht zugelassen“? Ein Geistesblitz? Das Ergebnis einer Diskussion? Achsenbruch beim Ochsenkarren? Keine Antwort.

Was wir immerhin erfahren: Der Heilige Geist bremst zweimal den frommen Einsatz und die ehrgeizigen Ziele engagierter Christen! Predigtverbot ausgerechnet durch den Heiligen Geist! Die Reisenden „im Namen des Herrn“ werden geradezu genötigt, bestimmte Aufgaben und die Menschen dazu links liegen zu lassen. Denn: Nicht alles geht! Die Schlussfolgerung müsste für manchen Christen bestürzend sein: Wer als Workaholic in christlichem Gewand unterwegs ist und ungehemmt sein Helfersyndrom auslebt, kann nicht davon ausgehen, das im Geiste Gottes zu tun. Der muss sich zumindest die FRAGE gefallen lassen: „Aus welchem Geist, aus welcher Motivation heraus mache und tue ich das denn WIRKLICH?“

Weiter: Der Heilige Geist zeigt diesen drei Leuten – wie auch immer -, was er NICHT will. Aber er zeigt ihnen (noch) nicht, was er denn stattdessen will. Paulus, Silas und Timotheus müssen eine Weile damit klar kommen, nicht zu wissen, wo es denn lang geht. Sie kommen nicht darum herum, ein paar anscheinend nutzlose Probe-Schritte in diese und jene Richtung zu machen. „Heiliger Geist“ bedeutet offenbar nicht: „Immer alles klar!“ Nein, manchmal bleiben Dinge erstmal in der Schwebe, manchmal ist Geduld gefragt. Vielleicht sollte es Sie misstrauisch machen, wenn immer alles klar ist, speziell für Ihre Ratgeber.

Weiter: Es ist scheint’s gut, überhaupt etwas zu wollen. Eine Richtung einzuschlagen. Selbst wenn sich dann herausstellt: Die Richtung war noch nicht die richtige. Der Heilige Geist macht sich hier so bemerkbar, dass er einem bestehenden Willen etwas entgegensetzt. Da hat es der Geist vielleicht schwerer, wenn einer von vornherein gar nichts will. Sich treiben lässt. Oder nie von der Stelle kommt.

Unsere drei Missionare sind offen für die Möglichkeit, dass sich dann ihr „guter Wille“ nicht mit der Dynamik des Heiligen Geistes deckt. Es ist die Offenheit, dass etwas „falsch“ sein könnte, ohne dass es gleich „sündig“ wäre.

Bis hierher wissen wir aus der Geschichte, was der Geist NICHT will. Und was will er?

Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen. (aus Apostelgeschichte 16)

Steht hier wirklich, was der GEIST will? Nein! Der Evangelist Lukas, der auch die Apostel­geschichte geschrieben hat, schreibt vorsichtigerweise hier nichts von „Geist“. Sondern von einer „Erscheinung“, so einer Art Traum.

Ist es gut, seinen Träumen zu folgen? Bei Albträumen: Nein! Bei schönen Träumen: Vielleicht. Oder: Mal ja, mal nein. Es gibt da keine sichere Regel, keine letzte Garantie. Paulus bricht mit seinen Leuten trotzdem auf – „GEWISS, dass uns Gott dahin berufen hatte“. Gewissheit. Das ist etwas anderes als Sicherheit oder eine Garantie-Erklärung. Es geht nicht ohne Vertrauen, nicht ohne Wagnis. So kommt Gottes Evangelium über den Bosporus nach Mazedonien, nach Europa, zu uns.

Und nun? Es steckt mal wieder kein Patent-Rezept drin, wie Sie Ihre kleinen und großen Entscheidungen „mit Sicherheit“ im Geiste Gottes treffen. Schade. Aber vielleicht macht Sie diese Geschichte bereit, öfter mal die Scheuklappen abzunehmen und ehrlicher darauf zu schauen, welche Motive, Vorstellungen, Grundsätze Sie denn meist leiten – obwohl diese vielleicht grundverkehrt sein könnten. Und vielleicht lassen Sie sich von dieser Geschichte ermutigen, den Bewegungen des Heiligen Geistes nachzuspüren. Und Gott um seinen Geist zu bitten. Ohne Unterbrechung der Hektik wird das aber nicht gehen – weder das Nachspüren noch das Bitten.

Gebet:

Lehre mich tun nach Deinem Wohlgefallen! Denn Du bist mein Gott! Dein Heiliger Geist leite mich auf ebener Bahn! (aus Psalm 143)