Andacht für August

1. Petrus 5

Darum sage ich euch: Sorgt nicht …

Wir sind mitten in der „Bergpredigt“, im Matthäus-Evangelium so eine Art Grundsatzprogramm Jesu. Hier nun wirft Jesus seine ganze persönliche Autorität in die Waagschale: „… ich sage euch!“ Und dann: „Sorgt nicht!“

Klingt gut. Schließlich macht sich kaum jemand wirklich gerne Sorgen. Schon gar nicht freiwillig. Trotzdem tut es fast jeder, das Sich-Sorgen-Machen. Gefühlt ist es meist so: „Ich muss mir Sorgen machen!“ Genau genommen, zwingt mich dazu allerdings niemand anderes, denn: „Ichmachemir Sorgen.“ Ich selbst bin es! Auch wenn ich vielleicht gern anderen die Verantwortung für meine Sorgen zuschiebe: „Du machst mir große Sorgen!“
Sorgen um was? Bei Jesus sind es ganz existentielle Dinge:

Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet. Auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?

Essen, Trinken, Kleidung. Das Nötigste. Wenn das fehlt, dann ist aber Holland in Not. Und da wir uns zu Jesu Zeit in einem besetzten, ausgepressten und ausgelutschten Land befinden: Jesu Zuhörer wissen, wovon er da spricht.
Sorgen sind Scheuklappen. Sie schränken den Blick ein. Es steht einem immerzu das vor Augen, was einem Sorgen macht. – „Für morgen sind das Essen, das Trinken, die Kleidung nicht gesichert? Was kann ich bloß tun?!“
Was Jesus nun tut, ist völlig gegen diesen Hinguck-Reflex: Jesus weitet den Blick. In eine Richtung, auf die besorgte Menschen nicht ohne weiteres kommen: die Vögel und die Blumen …

Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft.

Die Vögel und Blumen haben es gut: Sie können sich nicht so viele Gedanken machen, die Verbindung zum Vater im Himmel, der Quelle des Lebens, ist unmittelbarer.

Aber stimmt es denn, dass der Vater im Himmel die Vögel ernährt und die Blumen kleidet? Na ja. – Schließlich sagt Jesus auch, dass die Lilien und das Gras morgen in den Ofen geworfen werden. Und dass die Vögel zu allen Jahreszeiten immer satt zu fressen haben, wird Jesus wohl nicht annehmen. Aber: Jetzt, im Moment nährt und kleidet der himmlische Vater die Vögel und die Feld-Lilien. Was morgen ist, ist offen.

Nun ist das „Morgen“, die Zukunft, ja gerade das Thema des Sorgens. Wer sich sorgt, möchte die Zukunft in trockenen Tüchern haben, am besten für alle Zeiten. Der will Sicherheiten, Versicherungen, Zusicherungen, Garantien. Aber wie sehr ein Sorgen-Mensch sich da auch abmüht: Dem steht die schlichte Tatsache entgegen, dass das irdische Leben tödlich endet. Das ist nun wirklich sicher. Das haben wir Menschen mit den Vögeln und Blumen gemeinsam.
Aber wenn Jesus statt der Vögel und der Feldlilien die Hamster und die Eichen genommen hätte? Die Hamster sammeln ja für schlechte Zeiten, und die Eichen legen ihr Wachstum mindestens auf Jahrzehnte an. Und trotzdem: Hamster und Eichen „sorgen“ in einer Weise, dass sie sich keinen Kopf darum machen. Sie tun einfach, was dran ist, „von allein“, ohne sich das Hirn zu zermartern. Genauso spricht viel dafür, wenn wir Menschen mit Gelassenheit und Konzentration das Nötige tun und Vor-Sorge treffen, damit der neue Tag kommen kann. Nur wenn ich heute Brot kaufe, ist morgen früh eines da.

Das Sich-Sorgen wird da zum Problem, wo ich mir das Hirn zermartere, obwohl ich nichts oder nichts Vernünftiges tun kann. Dann lässt mich die Angst erstarren. Oder mich in einen blinden Aktionismus verfallen. Und die Sache zum x-ten Mal zu bedenken oder irgendwas dran zu tun, das mag zwar evtl. im ersten Moment beruhigen. Nur: Wenig später nagt es schon wieder an mir, die Sorgen-Scheuklappen werden immer enger …
Aber dann war da ja noch folgender Satz dazwischen:

Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? 

Stimmt das wirklich? Es gibt ja z.B. Leute, die dauernd bei den Ärzten hocken vor lauter Sorge, und jedes Mal heißt es: „Sie haben nichts, Sie sind kerngesund!“ So jemand hat doch was, nämlich Sorgen. Und außerdem ist es immer noch theoretisch möglich, dass der 1001. Kontrollbesuch mir doch die Lebensspanne verlängert, weil der Arzt diesmal doch was findet, was noch rechtzeitig behandelt werden kann.

Nur müssen Sie jetzt von dem so verlängerten Leben diejenigen Zeiten abziehen, die Sie sich mit Sorgen versaut haben. Ich sag’s mal so: Besser locker, leicht und sorgenfrei 45 werden als sorgen­zerfurcht 90! Erst recht, wenn ich es dem himmlischen Vater abnehme, dass er schon weiß, was ich brauche, und dass ich nach den 45 Jahren nicht ins Nichts abstürze, sondern in seinen guten Händen lande, die mich auch schon vorher oft gehalten und aufgerichtet haben.

Überhaupt, das ist es! Lasse ich es in Gottes Hand, oder muss ich alles, erst recht die Zukunft, selbst in die Hand bekommen? Dann stünde ich vor der Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alles Gute für alle Zeiten so bleibt, wie es ist, und dass obendrein alles Schlechte gut wird. So eine sorgenvolle Haltung sorgt verlässlich für Krampf in der Seele und für Erstarrung im Leben.

Sich-Sorgen als untauglicher Versuch der Lebens-Bemächtigung. Manchmal auch der Versuch der Bemächtigung meiner Mitmenschen: Meine so gut gemeinte Fürsorge kann womöglich dem anderen seine Selbst-Verantwortung streitig machen, ihn binden, knebel, gängeln. Auf den ersten Blick geht es um meine selbstlosen Sorgen, aber in Wirklichkeit um meine Macht.

Sorgenvolle Selbst-Bemächtigung, sorgenvolle Fremd-Bemächtigung. Wer es dagegen wagt und seine Sorgen loslässt, sie Gott in die Hand legt, wird lockerer, entspannter, vertrauensvoller. Der legt sich und sein Leben nicht auf Deubel-komm-raus darauf fest, dass es so und so kommen und so und so bleiben muss. Der lässt sich weder von Horror-Szenarien noch von Schlaraffen-
land-Träumereien allzu sehr bewegen. Die Zukunft liegt ja in Gottes Hand. Die Vollendung und die Heilung des Gewesenen auch.
Was mir bleibt? Das Hier, Jetzt, Heute:

Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.  (insgesamt: Matthäus 6, 25-34)

Wenn ich mich beständig um mich selbst sorge, dauernd ängstlich und misstrauisch in die Zukunft blicke, dann ist das so wie der Kreisel, der sich beständig um sich selber dreht – und trotzdem irgendwann ins Schlingern gerät und umfällt. Jesus stellt uns hier etwas ganz anderes ins Zentrum: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit!“

Sie meinen, man müsste aber doch auch für sich selbst sorgen? Sie müssten das viel mehr als bisher in Ihrem Leben? – Sie haben völlig recht! Also fangen Sie bitte heute damit an, nicht erst morgen! Sie können heute vielleicht am besten für sich sorgen, indem Sie aufhören, sich so sehr um sich und um Ihr Morgen zu sorgen! Für sich sorgen heute – ja! Vernünftige Vorsorge für Morgen – Ja! Aber Ihr Leben als Ganzes, Ihre Zukunft, Ihr Schicksal, die Heilung und Vollendung Ihres Lebens – lassen Sie das bitte Gottes Sorge sein!

Gebet:

Gott, vor Dir spreche ich meine zwei oder drei größten Sorgen aus: (…)
Du weißt, wie sehr mich das umtreibt. Ich lege das alles in Deine Hand. Ich lege mich selbst in Deine Hand. Lass mich Deine Sorge sein! Amen.

Dirk Klute