Andacht Januar 2015

Annahme verweigert?  Zur Jahreslosung 2015                          Psalm 103

Eine Jahreslosung soll Sie durch’s Jahr begleiten. Wenn Sie also gelegentlich drüber stolpern, sich erinnern, das wäre schon nicht schlecht.

Und hier die Jahreslosung für 2015:                                                                          Nehmt einander an, wie Christus Euch angenommen hat zur Ehre Gottes!   (Römer 15,7 )

Einander annehmen. Das schreibt Paulus den Christinnen und Christen in Rom, gegen Ende eines ziemlich langen Briefes. Paulus kennt die Leute in Rom nicht persönlich, aber er will sie kennenlernen und zu Besuch kommen. Deswegen vorab dieser Brief.

„Nehmt einander an!“ – Eine Aufforderung. Vielleicht passt Ihnen das nicht. Vielleicht hätten Sie lieber einen Trost oder eine Ermutigung für’s neue Jahr. Aber nein: eine Aufforderung!

Sie müssen allerdings dabei das Kleingedruckte lesen. Es ist zwar nicht wirklich kleiner gedruckt, aber man überliest es schnell: „Nehmt einander an – WIE CHRISTUS EUCH ANGENOMMEN HAT – zur Ehre Gottes!“ Jetzt ist es groß gedruckt. Da sind sie nun nämlich doch: Trost, Zuspruch, Ermutigung. Von Christus angenommen! Daraus kann man eine Definition machen: Christen sind diejenigen, die sagen und glauben: „Ich bin von Christus angenommen!“

Wenn ich das so als Definition für’s Christsein nehme, dann heißt dass auch: Folgende Dinge bedeuten NICHT, dass ich deswegen Christ wäre:

  • glauben, dass es irgendwie eine höhere Macht oder einen Gott gibt oder geben könnte.
  • glauben, dass es einen Gott gibt, und ich muss mich für diesen Gott annehmbar, „akzeptabel“, „an-ge-nehm“ machen.

Nein, Christen glauben nicht an einen Gott, der einfach nur irgendwie und irgendwo „ist“. Sondern der mit mir zu tun hat und zu tun haben will. Der mir Gutes will, eben: mich annehmen. Und der mich nicht annimmt, weil ich so angenehm und annehmbar wäre. Sondern einzig und allein durch Jesus Christus. Christus als die rosarote Brille Gottes, durch die hindurch er mich sieht, sehen will. Durch Christus nimmt Gott mich an, so unannehmbar, inakzeptabel, un-an-genehm ich mich auch finden mag. – Oder andere mich finden. Gottes Annahme? NICHT             verweigert!

Wenn DAS jetzt Christsein ist – sind Sie’s? Bin ich’s? Wohl nicht immer. Die Selbstzweifel, das schlechte Gewissen, die fordernden Mitmenschen oder die Selbst-Verachtung brüllen manchmal so laut, dass ich das „Angenommen!“ von allerhöchster Stelle erst gar nicht höre. Oder nicht glauben kann. Oder nicht mal glauben „will“, weil mir das Runtergeputzt-Werden so vertraut ist, dass mir das Angenommen-Sein un-glaub-lich fremd ist und nur verunsichert.

Darum ist es nötig, dass Sie sich diesem „Du bist angenommen!“ immer wieder aussetzen – so, wie man sich immer mal wieder unter die warme Dusche stellen sollte. Die Christen in Rom und zu allen späteren Zeiten haben das auch getan: Sie haben sich in kleinen Gruppen getroffen. Sie haben Gottes Wort gesucht, gehört, gesprochen. Sie haben Abendmahl gefeiert. Und sie konnten sich immer wieder daran erinnern: „Ich bin getauft!“

 

Kurze Rückfragen an Sie: Gab es in den letzten Tagen solche „Duschen“, wo Sie sich diesem „Du bist angenommen!“ von Gott ausgesetzt haben? Wann, wo, wie war das? Und weiter: Haben Sie (auch unabhängig von Glaube und Religion) durch andere Menschen Annahme erlebt? Wann, wo, wie war das? Für beides, Gott und die Mitmenschen, war vielleicht Weihnachten eine gute Gelegenheit. Oder für beides eine Enttäuschung?

Paulus setzt noch hinzu: Von Christus angenommen – „zur Ehre Gottes“. Was bedeutet das? Sehr einfach: Wer angenommen ist und darum weiß, kommt ins Jubeln. Der lobt Gott.

Da ist aber immer noch die Aufforderung: „Nehmt einander an!“ Klingt das nicht ein bisschen zu sehr nach heiler Welt? Ich kann dauernd andere annehmen, für andere da sein – und komme dabei selbst unter die Räder? So nach dem Motto: „Nun habt Euch mal alle schön lieb!“ Oder: „Du musst doch vergeben – nämlich allen alles, und zwar sofort!“ Oder: „Die anderen haben Recht – immer!“ Das kann es ja wohl nicht sein!

Und das ist es auch nicht:

  • „Annehmen“ bedeutet nicht, dass ich das, was andere meinen und tun, uneingeschränkt klasse finde. Auf Latein heißt „annehmen“: „accipere“, also „akzeptieren“. Wenn Sie die Meinung Ihres Freundes oder Feindes akzeptieren, heißt das keineswegs, dass Sie sie teilen oder toll finden. Es hat mehr etwas von „ertragen“, „aushalten“. Gutes Zusammenleben hat viel damit zu tun, manche Mitmenschen und manches an ihnen zu ertragen. Nicht alles, aber manches. Ohne allzu schnell einen Schnitt zu machen. Und ohne den anderen dauernd verändern zu „müssen“. Ertragen. So, wie Gott mich erträgt – und es damit ebenfalls nicht immer leicht hat.
  • „Einander“ annehmen: den anderen Menschen annehmen. Den Menschen selbst, nicht seine Meinungen und Eigenarten. Leider ist kein Mit-Mensch losgelöst von seinen Meinungen und Eigenarten zu haben. Aber mein Mit-Mensch ist eben immer noch mehr als das, was er tut oder lässt oder sagt. Dieses „Mehr“ wird treffend beschrieben ganz vorn in der Bibel: „Nach Gottes Bild geschaffen“. Eine unverlierbare Würde! „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. – Sagt jetzt nicht Bibel, aber das Grundgesetz. Das Grundgesetz weiß um unsere Würde. Christen wissen, worin diese Würde wurzelt.
  • Paulus macht es uns nicht ZU schwer. Klar: Ihnen fällt es nicht bei jedem Menschen gleich leicht, das Annehmen. Es gibt ja richtig schlimme Menschen. Oder auch: Leute, die Sie nur deswegen so schlimm finden können, WEIL sie Ihnen so nahe stehen, weil Sie eng damit zu tun haben: Leute, mit denen Sie unter einem Dach leben oder Zaun an Zaun oder jeden Tag zusammenarbeiten. Aber Paulus fängt eben NICHT mit den „schwersten Fällen“ an. Sondern: Paulus spricht vom gegenseitigen Annehmen in der Gemeinde, unter Christen. Jetzt sagen Sie vielleicht: „Na, aber das sind doch die Schlimmsten!“ Und wenn Sie das nicht nur so sagen, sondern wenn das Ihre Erfahrung ist, dann sage ich: Die Regel ist das aber trotzdem nicht. Denn immerhin sind Ihre Mit-Christen Leute, die sich genau wie Sie von Christus angenommen wissen. Menschen, die viel mehr miteinander verbindet als ein paar gemeinsame Interessen oder oberflächliche Sympathie – und mit denen Sie trotzdem nicht unter einem Dach leben müssen. Menschen, mit denen Sie das Annehmen und das Streiten in Liebe einüben könnten. Und wenn es DANN auch mit den Schlimmen, den Ekeligen und den Kotzbrocken klappt und vielleicht sogar mit solchen Typen wie Ihnen und mir umso besser! Nehmt einander an, wie Christus Euch angenommen hat zur Ehre Gottes! (Römer 15, 7)

Darüber in 2015 gelegentlich zu stolpern, das könnte helfen:

  • Dass ich mich erinnere: Ich bin von Christus angenommen!
  • Dass ich Gott dafür die Ehre gebe und ihm ein „Halleluja!“ sage oder singe.
  • Dass ich mir heute einen Menschen gedanklich herausgreife, bei dem es mir nicht auf Anhieb leicht fällt, ihn anzunehmen. Und dem ich dann ein Annahme-Wort, einen Annahme-Satz oder ein Annahme-Zeichen gebe. – Trotzdem.

Gebet:

Christus, ich weiß nicht, was dieses neue Jahr 2015 mir und uns bringt. Aber das soll mich durch die Zeit tragen: Dass ich von Dir angenommen bin. Danke!  Amen.