Durstige Kamele Joh. 4; Ps 41
In Partnerschaften kann es manchmal Phasen geben, da fragen Sie sich: „Wie bin ich bloß an DEN / an DIE geraten?!?“ Bei der Antwort werden Sie aber nicht um die Erkenntnis herumkommen: Sie haben selbst mal „Ja“ gesagt. (Oder jedenfalls kein „Nein“.)
Es ist allerdings ein ziemlich neues Phänomen, dass Partner „Ja“ sagen, also einander selbst aussuchen. Früher wurden auch in Europa Ehen oft „arrangiert“. Das kann man schrecklich finden. Ich finde das auch. Allerdings hat mir eine Studie aus Indien zu denken gegeben: Angeblich sind die Partner aus „arrangierten“ Ehen gegenüber „selbst ausgesuchten“ Ehen nach 5 Jahren im Schnitt „glücklicher“ miteinander. Mhm.
Heute lesen Sie über das Arrangement einer Ehe (in voller Länge: Genesis 24): Abrahams Sohn Isaak soll eine Frau bekommen. Die Frage „Wer soll’s denn sein?“ ist nicht nur für Isaak persönlich wichtig: Aus diesem Familien-Clan soll mal ein großes Volk werden – „Gottes Volk“. Daraus wird später Jesus Christus hervorgehen. Auch wer selbst mit Religion kein bisschen am Hut hat, wird zur Kenntnis nehmen müssen: Die Mehrheit der heutigen Menschheit gehört – zumindest nominell – einer der „abrahamitischen“ Religionen an: Judentum, Christentum, Islam. Und da ist diese Nomadensippe von vor knapp 4.000 Jahren mit ihrem Glauben von Bedeutung. Also: Diese Ehe-Anbahnung schreibt Weltgeschichte …
Isaaks Frau soll in der alten Heimat im syrischen Haran ausgesucht werden. Abraham legt diese verantwortungsvolle Aufgabe in die Hände seines altvertrauten Mitarbeiters Eliëser und schickt ihn auf eine lange Dienstreise. – Mit viel Gepäck:
So nahm der Knecht zehn Kamele von den Kamelen seines Herrn und zog hin und hatte mit sich allerlei Güter seines Herrn und machte sich auf und zog nach Mesopotamien, zu der Stadt Nahors.
Und jetzt? Wie packt Eliëser die Sache an? Wo kann man viele Leute treffen? Na klar: Der Stadtbrunnen!
Da ließ er die Kamele sich lagern draußen vor der Stadt bei dem Wasserbrunnen des Abends um die Zeit, da die Frauen pflegten herauszugehen und Wasser zu schöpfen.
So, und nun tut Eliëser etwas, worauf nicht jeder bei der Brautschau kommt: Er betet. Und er sagt Gott bei der Gelegenheit, wie er sich die Auswahl vorstellt:
(…) Siehe, ich stehe hier bei dem Wasserbrunnen, und die Töchter der Leute in dieser Stadt werden herauskommen, um Wasser zu schöpfen. Wenn nun ein Mädchen kommt, zu dem ich spreche: „Neige deinen Krug und lass mich trinken, und es sprechen wird: Trinke, ich will deine Kamele auch tränken“ -, das sei die, die du deinem Diener Isaak beschert hast, und daran werde ich erkennen, dass du Barmherzigkeit an meinem Herrn getan hast!
Wasser für die Durstigen. DAS ist das Kriterium. Schauen Sie bitte auf folgendes Detail: Eliëser wird nur um Wasser für sich selbst bitten. Aber „die Richtige“ wird VON SICH AUS die durstigen Kamele sehen und ihnen Wasser geben. Und so kommt es dann auch:
Da kam heraus Rebekka (…). Die stieg hinab zum Brunnen und füllte den Krug und stieg herauf. Da lief ihr der Knecht entgegen und sprach: „Lass mich ein wenig Wasser aus deinem Kruge trinken!“ Und sie sprach: „Trinke, mein Herr!“ Und eilends ließ sie den Krug hernieder auf ihre Hand und gab ihm zu trinken. Und als sie ihm zu trinken gegeben hatte, sprach sie: „Ich will deinen Kamelen auch schöpfen, bis sie alle genug getrunken haben!“ Und eilte und goss den Krug aus in die Tränke und lief abermals zum Brunnen, um zu schöpfen, und schöpfte allen seinen Kamelen. Der Mann aber betrachtete sie und schwieg still, bis er erkannt hätte, ob der HERR zu seiner Reise Gnade gegeben hätte oder nicht.
Ich finde das stark: Rebekka schöpft für sich selbst, für ihre Angehörigen in der Stadt, für den Fremden, für die Kamele. Alle trinken von demselben Wasser. Beim Durst hört das Trennende von Einheimischen und Fremden auf, auch der Unterschied zwischen Mensch und Tier. Da sind sie alle einander sehr ähnlich. Das verbindet. Es ist wie mit dem Hunger und wie mit dem Atem. Wie mit dem Bedürfnis nach Raum und nach einem Gegenüber. Alle brauchen das: Einheimische, Fremde, Kamele. Und was immer von den Dreien Sie gerade sind: Sie und ich brauchen das auch.
Randbemerkung: Selbstverständlich schöpft Rebekka auch für sich selbst. Wer immer nur für seine Lieben schöpft, für die Fremden und für die stets durstigen Bewohner nahöstlicher, sozialer und seelischer Steppen – und sich selbst dabei übergeht! -, wird früher oder später selbst erschöpft, ausgesaugt, verdurstet sein. Rebekka gibt den anderen – und sich selbst.
Dann holt Eliëser kostbaren Schmuck hervor und erkundigt sich nach Rebekkas Sippe. Rebekka muss ziemlich verblüfft gewesen sein. Trotzdem lädt sie Eliëser zu ihrer Sippe ein. – Und jetzt achten Sie mal darauf, WIE sie das tut:
Es ist auch viel Stroh und Futter bei uns und Raum genug, um zu herbergen.
Das klingt fast schon mehr nach einer Einladung an die Kamele als an Eliëser. So ist sie zu den Tieren, die Rebekka.
Während Eliëser ein Dankgebet spricht, läuft Rebekka nach Hause und erzählt alles. Ihr Bruder Laban geht nun zum Brunnen, um den Fremden mit seinen Kamelen zu holen.
Und was tut Laban, als sie zu Hause ankommen? Achten Sie auf die Reihenfolge!
Da führte er den Mann ins Haus und zäumte die Kamele ab und gab ihnen Stroh und Futter. Dazu auch Wasser, zu waschen seine Füße und die Füße der Männer, die mit ihm waren. Und man setzte ihm Essen vor
Aber bevor Eliëser essen will, schildert er in aller Ausführlichkeit seinen Auftrag und was er seitdem mit Gott und mit Rebekka erlebt hat.
Der Besuch zieht sich orientalisch lang hin, aber schließlich reißt sich Eliëser förmlich los:
„Haltet mich nicht auf, denn der HERR hat Gnade zu meiner Reise gegeben! Lasst mich, dass ich zu meinem Herrn ziehe!“
Dieses Eliëser-Zitat darf gern mal über meiner Trauer-Anzeige stehen. Aber Eliëser meint es hier natürlich etwas anders. Trotzdem sind Abschied und Aufbruch angesagt – für alle Beteiligten. Und jetzt kommt eine Szene, die über die „arrangierte Ehe“ hinaus geht:
Und sie riefen Rebekka und sprachen zu ihr: „Willst du mit diesem Manne ziehen?“ Sie antwortete: „Ja, ich will es!“
Rebekka wird gefragt, und sie hat die Entscheidung. Einige Verse weiter das Happy End:
Da führte sie Isaak in das Zelt seiner (verstorbenen) Mutter Sara und nahm die Rebekka und sie wurde seine Frau und er gewann sie lieb.
Schade für Sie: Sara oder Isaak sind jetzt schon vergeben. Trotzdem: Seien Sie gut zu den Kamelen! Und zu all den anderen, die Wasser und Futter und Raum brauchen! Seien Sie gut zu ihnen – besonders bei Ihrer Kauf-Entscheidung am Kühlregal vom Supermarkt! Um der Tiere willen. Um Gottes willen. Und um Ihrer selbst willen: Denn solche Leute wie Rebekka haben einen besonderen Platz in Gottes Geschichte.
Gebet:
Gott, Du hast mir Augen und Ohren gegeben, Hände und ein Herz für all das Leben um mich herum. Danke! Die Scheuklappen sind nicht von Dir. Die will ich Dir hinlegen. Amen.