Den Durst entdecken. Die Jahreslosung 2018 Johannes 4; Jesaja 55
Es soll ja Leute geben, die feiern Silvester „feucht-fröhlich“. Damit ist aber nicht das Wetter gemeint, sondern das Trinken. Da passt die Jahreslosung für 2018 nur auf den ersten Blick:
„Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst!“ (Offenbarung 21, 6b)
OK, die Losung hat ebenfalls mit dem Trinken zu tun. Aber: Es geht um Wasser. Und nicht, wie bei „feucht-fröhlich“, um Alkohol.
Aber zum Jahr 2018 passt die Jahreslosung auch nicht so ganz: Sie ist nämlich Zukunfts-Musik. Oder denken Sie, dass der Durst der Menschheit und der Schöpfung noch in 2018 gelöscht wird? Aus der Quelle des lebendigen Wassers? Würde mich wundern … Die Jahreslosung steht im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung, und dort im vorletzen Kapitel. Also: Das „Happy End“ am Ende der Zeiten. Das „neue Jerusalem“, ein neuer Himmel, eine neue Erde. Man weiß ja nie, aber: Ist für 2018 noch nicht so richtig in Sicht, finde ich.
„Zukunfts-Musik“. Mal ganz praktisch: Wie steht es denn mit dem Wasser? In Deutschland kann sich jeder und jede fast kostenlos durstlos trinken, wenn einem denn das gute Leitungswasser gut genug ist. Aber insgesamt leben wir ja in ganz anderen Zeiten:
• Die Klima-Katastrophe ist eine Wasser-Katastrophe: Auf der einen Seite Flut-Regenfälle, Überschwemmungen, überhitzte Meere, steigender Meeres-Spiegel. Auf der anderen Seite bleibt der knappe Regen ganz aus. Dürre. Durst.
• Privatisierung des Trinkwassers. Das Wasser gehört mancherorts nicht mehr allen, sondern ein paar großen Konzernen.
• Nitrat im Grundwasser. Das haben wir der Gülle zu verdanken, der Massen-Nutz-Tierhaltung, dem hohen Fleisch-Konsum.
• Verdreckte Meere.
Aber Sie, Sie leben ja ganz anders. Richtig Durst haben Sie wahrscheinlich noch nie gelitten. Ich jedenfalls hatte es bisher noch nie weit bis zum nächsten Wasserhahn, zur nächsten Dusche, zum nächsten WC. Ich musste nie mehrere Kilometer mit Wasser-Kanister laufen, vorbei an Kadavern verdursteter Rinder. Einmal in meiner Jugend war im Zeltlager das Wasser ausgegangen, weil es lange nicht geregnet hatte und das Lager auf einem Hügel lag. Da war dann die Bundeswehr zur Stelle mit zahllosen Kanistern. Geht doch!
Ist unsere Jahreslosung nur etwas für die Durstigen? Ja! Und: Sie ist nichts für die Satten. Schon gar nichts für die, die alles satt haben. – Wobei: „Satt“ ist ja das Gegenteil von „hungrig“. Was ist das Gegenteil von „durstig“? Dafür hat die deutsche Sprache kein eigenes Wort! Vielleicht, weil „Nicht-Durstig-Sein“ so ein flüchtiger Zustand ist: Auch wenn hier keiner so richtig durstig ist – so richtig „un-durstig“ ist man immer nur kurz. Es gibt Leute, die haben immer eine Wasserflasche bei sich. Und Ver-Dursten geht schneller als „Ver-Hungern“.
Kein Wort für „un-¬durstig“? Vielleicht „abgefüllt“. Aber bei „abgefüllt“ geht es ja mehr um den speziellen Silvester-Alkohol-Durst. Oder: „Mir steht’s bis hier!“ – gemeint ist: Unterlippe Oberkante. Jedenfalls sind das KEINE Ausdrücke für satis¬faction und „wunschlos glücklich“.
„Unsere Jahreslosung ist nur etwas für die Durstigen!“ – Wenn das stimmt, kann sie nur dann IHRE Jahreslosung werden, wenn Sie Ihren Durst ent-decken. Oder wenn Sie Ihren Durst wieder-entdecken! Das Lied einer Band aus Jugend-Tagen kommt mir da in den Sinn:
„Ich habe Durst, ich hab‘ noch Träume, will nicht so schnell zufrieden sein!
Ich habe Durst! Wo ist die Quelle? Will echtes Leben gegen den Schein!“
Ich weiß noch sehr präzise, in wen ich damals heimlich verliebt war. Sie war natürlich unerreichbar für mich– oder jedenfalls meinte ich das. Aber gerade im Rückblick scheint mir dieses Lebens-Durst-Gefühl, das Verlangen nach echtem Leben, ein kostbarer Zustand zu sein. Ein Zustand, zu dem Jugendliche wohl einen direkteren Zugang haben als meinereiner.
Ein paar Jahrzehnte später kann das eine abenteuerliche und beschwerliche Reise werden, den eigenen Lebens-Durst neu zu ent-decken unter so viel Schutt un-erfüllter Wünsche und, schlimmer noch, erfüllter Wünsche; unter so viel Gewohnheit, verdunsteten Illusionen, privatem Glück, verblassten gesellschaftlichen Utopien; unter einem Glauben, der nicht mehr lichterloh brennt, sondern allenfalls eine gerade noch behagliche Kamin-Glut ist. Oder ein Kamin-Feuer als DVD für den Fernseher: Es sieht so aus wie Feuer, es schafft ein ganz gutes Gefühl, aber es brennt rein gar nichts mehr. – Na, merken Sie, wovon ich rede? Klar, das kennen Sie! Wenn Sie ehrlich hingucken …
Also: Für manch einen ist nicht Durst-Löschen angesagt, sondern Durst-Kriegen! Oder das Wieder-Durst-Kriegen …
Ich haben vier mögliche Hürden gefunden auf dem Weg zur Jahreslosung. Wenn Sie diese Hürden hinter sich haben, ist die Durst-Jahreslosung auch IHRE Losung:
1. Die erste Hürde: Den eigenen Lebens-Durst ent-decken unter dem Schutt mancher Jahre. Das habe ich gerade beschrieben.
2. Die zweite Hürde: Sich und anderen eingestehen: „Ich bin durstig!“ – Ich bin bedürftig. Ich habe es nicht hinbekommen, ich bin angewiesen, ich bin schwach … All das, was so wenig „in“ ist in einer Zeit, wo anderes angesagt ist: autonom, vital, erfolgreich, …
3. Die dritte Hürde: Das Wort „umsonst“. Gott will sein Wasser des Lebens UMSONST geben. Aber was nichts kostet, taugt auch nichts. Da muss es einen Haken geben! Und womit hätte ich denn solch ein Wasser verdient? – Ich WILL es doch verdient haben …
4. Die vierte Hürde: „Nur“ Wasser. Wer Champagner gewohnt ist oder gern gewohnt wäre, dem ist „Wasser“ zu banal, zu „gewöhnlich“. Man kann ja sooo schnell übersehen: Auch fast alle „edlen“ Getränke bestehen im Wesentlichen aus Wasser. – Und der Mensch auch. Zu 70 Prozent.
Die Kurz-Fassung dazu: Ihren Durst wiederfinden! Sich Durst eingestehen! Sich beschenken lassen! Wasser genügt! – Ich vermute: Daran haben Sie und ich schon genügend zu – nein, nicht zu knabbern, sondern zu saugen.
Es bleibt aber noch eine Sache zu klären: Die Jahreslosung ist für das Ende der Zeiten im himmlischen Jerusalem gesprochen. Was geht Sie das für das Jahr 2018 in Ihrem ganz irdischen – sagen wir mal: Kattenvenne – an? Meine Antwort: All Ihr Durst-Löschen in 2018 ist vorläufig!
Sollten Sie zu den Bibel-Experten gehören, können Sie jetzt widersprechen: „Jesus hat aber doch der Frau am Jakobs-Brunnen gesagt: ‚Wenn Du von meinem Wasser trinkst, wirst Du nie mehr Durst haben!‘“ Wohl wahr. Aber im selben Evangelium (Johannes) sagt Jesus selbst am Kreuz: „Mich dürstet!“ Ja, es stimmt: Christus genügt. Er ist die Quelle. Und trotzdem ist Kattenvenne nicht das himmlische Jerusalem. Noch werden Sie immer neu Lebens-Durst bekommen. Das ist gut so!
Hier meine Vorschläge, was Sie – schon – 2018 davon haben, dass Gott Ihren Durst löschen will – und dass das Durst-Löschen erstmal vorläufig bleibt:
1. Durst-Haben ist besser als verschütteter Durst. Legen Sie Ihren Lebens-Durst frei! Kommen Sie in Kontakt mit Ihren Wünschen, Sehnsüchten, Enttäuschungen, Bedürfnissen!
2. Lassen Sie sich von Ihrem Durst leiten! Zum „Wasser“! Das Extravagante fasziniert. Trotzdem löscht „Wasser“ den Durst besser als der „Champagner“ des (Pseudo-)Lebens. Verlieren Sie den Unterschied nicht aus den Augen zwischen „angeblich brauchen“ und „wirklich brauchen“! All dem zum Trotz, was Ihnen die Werbung sagt.
3. Die 2018er-Quellen können klasse sein und wohl tun. Aber sie sind vorläufig. Genießen Sie diese Quellen, aber setzen Sie sie nicht absolut! Wenn Sie eine flüchtige Freude wie das Glas guter Wein, Erfolg bei der Arbeit, schöne Sexualität, Geld im Portemonnaie, leckeres Essen mit lieben Leuten, einen schöner Urlaub, … genießen – super! Wenn Sie aber davon ZU VIEL erwarten, wenn das für Sie mehr als vorläufig sein muss, dann heißt das: Sucht! Abhängigkeit. DANN versprechen solche Quellen auf kurzem Wege den Himmel – und halten nichts. Ihr Platz ist aber – noch – bodenständig auf der Erde. Als Mensch. Alles hat seine Zeit, Himmel kommt später.
Ihnen und mir wünsche ich für 2018: Dass wir durstig sind. Dass uns immer wieder manch großer und kleiner Durst gelöscht wird. Dass uns Christus schon hier auf der Erde Lebensquelle ist. Dass wir über 2018 hinaus die große Verheißung im Auge behalten: „Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst!“
Aus dem Lied „Kommt, Kinder, lasst uns gehen“ von Gerhard Tersteegen, leicht umgedichtet:
Es soll uns nicht gereuen / der schmale Pilgerpfad. // Wir kennen ja den Treuen, / der uns gerufen hat. // Kommt, folgt und trauet dem! // Ein jeder sein Gesichte / mit ganzer Wendung richte / fest nach Je