Andacht März 2015

Ein König muss her!                                                           Matthäus 23, 1-12

Manchmal kann man etwas von anderen lernen oder sich von ihnen abgucken: Die haben Sachen, die sind echt praktisch, nützlich, schön. Oder die tun Dinge, die sollte ich auch mal probieren.  Oder die können was – es wäre gut, wenn ich das auch könnte.

Manchmal gibt es natürlich etwas, das kann ich mir von anderen nicht abgucken, weil es bei mir nicht dafür reicht: Für den Nobelpreis bin ich nicht klug genug. Um den Party-Löwen zu geben, dafür habe ich einfach nicht das Format. Der Marathon-Sieg scheitert daran, dass ich nicht mal bis zur Ziellinie käme – und vorher an meiner Faulheit, denn ich müsste trainieren.

Wenn die anderen Sachen haben oder Sachen können, die man selbst nicht hat oder nicht kann, dann führt das zu — Neid.

Ob die Zeitgenossen des alten Priesters Samuel (11. Jahrhundert v. Chr.) neidisch sind, weiß ich nicht genau. Aber zumindest gibt es etwas, das würden die Israeliten sich gern von den an­deren Völkern abgucken: die Staatsform. Denn die Stämme Israels leben nur in lockerer Verbin­dung. Da ist es schwer, gemeinsam aufzutreten und sich gegen die Nach­barn zu schützen. Außenpolitisch etwas hermachen, Einfluss haben, das geht ohne gemeinsamen Repräsentanten ebenfalls nicht. All das ist bei den Nachbarn anders: Das sind richtige Staaten. Alle mit einem König!

Es gibt allerdings jemanden, der auch ohne Königs-Würden einigermaßen anerkannt ist: eben der Priester Samuel. Der zieht von Ort zu Ort, veranstaltet Gottesdienste, und sein Wort, das hat Gewicht. Auch in juristischen Streitfällen: Er spricht Urteile.

Nun ist Samuel allerdings alt geworden, und seine beiden Söhne übernehmen oft vertretungsweise seine Aufgaben in Gerichtsverfahren. – Und genau dagegen regt sich nun Unmut: Die Söhne sind bestechlich – sie sind immer wieder bereit, für „Geschenke“ das Recht zu beugen.

Da versammelten sich alle Ältesten Israels und kamen nach Rama zu Samuel und spra­chen zu ihm: Siehe, du bist alt geworden und deine Söhne wandeln nicht in deinen We­gen. So setze nun einen König über uns, der uns richte, wie ihn alle Heiden haben!

Klingt vernünftig: Das Problem mit den bestechlichen Samuel-Söhnen könnte man gleich mit einer Verfassungsreform verbinden. Ein König soll her! Einer, wie ihn die anderen Völker auch haben!

Das missfiel Samuel, dass sie sagten: Gib uns einen König, der uns richte. Und Samuel betete zum HERRN.

Ist Blut dicker als Wasser? Will da einer seine kriminellen Kinder in Schutz nehmen? Unser Bibel­text liest sich anders. Es ist ausdrücklich der Wunsch nach einem König, der Samuel nicht passt. Da ist es wohl gut, dass Samuel nicht seinem ersten Antwort-Impuls folgt, sondern sich Zeit nimmt – zum Beten. Bedenk-Zeit vor Gott. Und Gott antwortet:

Gehorche der Stimme des Volks in allem, was sie zu dir gesagt haben. Denn sie haben nicht dich, sondern mich verworfen, dass ich nicht mehr König über sie sein soll. (…) So gehorche nun ihrer Stimme. Doch warne sie und verkünde ihnen das Recht des Königs, der über sie herrschen wird

„Sie haben … mich verworfen, dass ich nicht mehr König über sie sein soll“. Ja muss Gott denn al­les gleich so persönlich nehmen? Muss er sich davon angegriffen fühlen, dass die Leute einen König wollen, einen aus Fleisch und Blut?

Aber genau so radikal klingt diese Stelle. Schließlich waren die Könige damals nicht durch Verfas­sungen und Parlamente eingeschränkt. Sie hatten das Sagen, sie wurden verehrt. Also: Wenn ich ei­nem anderen Menschen zubillige, in allem das Sagen zu haben, verträgt sich das nicht mit dem Glauben an Gott. Wenn ich mich an der unterwürfigen Verehrung so eines Menschen beteilige, passt auch das nicht zum Glauben an Gott. Wer unseren Text verinner­licht und Gott, nur Gott, König sein lässt, hat automatisch eine Abneigung gegen Diktaturen und Diktatoren, der taugt auch nicht son­derlich als Speichellecker oder Beifallspender.

„Doch warne sie“, sagt Gott. Wovor? Lesen Sie, welche Warnungen Samuel den Leuten nennt:

Das wird des Königs Recht sein, der über euch herrschen wird: Eure Söhne wird er nehmen für sei­nen Wagen und seine Gespanne, und dass sie vor seinem Wagen herlaufen, und zu Hauptleuten über tausend und über fünfzig, und dass sie ihm seinen Acker bearbeiten und seine Ernte einsammeln und dass sie seine Kriegswaffen machen und was zu seinen Wagen gehört. Eure Töchter aber wird er nehmen, dass sie Salben bereiten, kochen und backen. Eure besten Äcker und Weinberge und Öl­gärten wird er nehmen und seinen Großen geben. Dazu von euren Kornfeldern und Weinbergen wird er den Zehnten nehmen und seinen Kämmerern und Großen geben. Und eure Knechte und Mägde und eure besten Rinder und eure Esel wird er nehmen und in seinen Dienst stellen. Von eu­ren Herden wird er den Zehnten nehmen und ihr müsst seine Knechte sein.

Wenn ihr dann schreien werdet zu der Zeit über euren König, den ihr euch erwählt habt, so wird euch der HERR zu derselben Zeit nicht erhören.

Oder anders gesagt: Die Suppe, die ihr euch jetzt sehenden Auges einbrockt, die müsst ihr auch selbst auslöffeln! – Und hier der Erfolg dieser klaren Worte:

Aber das Volk weigerte sich, auf die Stimme Samuels zu hören, und sie sprachen: Nein, sondern ein König soll über uns sein, dass wir auch seien wie alle Heiden, dass uns unser König richte und vor uns her ausziehe und unsere Kriege führe!

Ein wackeres „Trotzdem!“ Ein dummes Trotzdem. Kein einziges Wort zu Samuels Argu­menten.

Wieso? Wonach sehnen sich die Leute?

  • Sie wollen sein wie die anderen: „… dass wir auch seien wie alle Heiden.“
  • Sie wollen einen, der sagt, was richtig ist und was falsch, wer Recht hat und wer nicht: „… das uns unser König richte“.
  • Sie wollen Orientierung, sie wollen einen Leithammel: „(der) vor uns her ausziehe“.
  • Sie wollen sich stark fühlen: „… und unsere Kriege führe“.

Und für all das muss ein König als Identifikationsfigur herhalten. Ein Mensch aus Fleisch und Blut – wie sie selbst. Einer, der nackt auf die Welt kommt wie alle, und dessen letztes Hemd ebenfalls keine Taschen hat, Mausoleum hin, Pyramide her.

Wer es mit dem Ersten Gebot hält („… keine anderen Götter neben mir!“), wird sich vor der Vergöt­terung anderer Menschen hüten. Der braucht solche Leithammel nicht.

Jetzt könnten Sie natürlich sagen: „Hoppla! Ausgerechnet die Christen reden doch von Nachfolge! Die haben es zumindest mit den Lippen zu ihrem Ideal gemacht, ihrem Jesus hinterher zu lau­fen! Also doch Leithammel!“

Stimmt! Jesus Christus – für Christen Identifikationsfigur, Orientierungspunkt, „Licht der Welt“. Aber doch ein bisschen anders als der König, vor dem Samuel warnt:

  • Sein wie alle anderen? Gerade nicht! Wer es mit Jesus ernst meint und ernst macht, ist oft in der Minderheit. Der liegt quer zu manchen Werten und Idealen „der Gesell­schaft“. Der schwimmt – nicht immer, aber oft – gegen den Strom. – Das Merkmal lebendiger Fische.
  • Gesagt bekommen, was richtig und falsch ist? Wer sich an Jesus hält, wird nicht stumpf ak­tuellen Parolen folgen, auch nicht frommen. Der wird sich selbst Gedanken machen müssen. In Auseinandersetzung mit „nicht-aktuellen“, uralten Worten von Jesus und mit Geschichten über Jesus; im Gespräch mit anderen; und wie Samuel: im Gebet.
  • Jesus als Leithammel? Ja! Aber der steht nicht für Kraft und Protz und Stärke. Der geht sei­nen Weg der Liebe bis ans Kreuz. „Opfer“ der Könige und Herrscher dieser Welt.
  • Sich stark fühlen? Nein, sondern schwach sein dürfen. In der Hoffnung auf die Kraft Christi.

Diese Andacht ist eine dreifache Einladung:

  • Lassen Sie den kritischen Samuel am Lack der von Ihnen verehrten, idealisierten, vergötterten Mit-Menschen kratzen!
  • Geben Sie den Wunsch auf, so sein zu wollen wie alle anderen!
  • Lassen Sie Christus, das „Lamm Gottes“, Ihren „Leithammel“ sein. Und keinen sonst.

Gebet (nach Psalm 119, 105):

Gott, Dein Wort soll meines Fußes Leuchte sein. Und ein Licht auf meinem Weg! Amen.