Beten als Gräuel Bergpredigt; Eli & Samuel; Kierkegaard
Als Christ finde ich Beten wichtig. Beten ist Hinwendung zu Gott. Ihm sagen, was mir an Schönem oder Schwerem auf dem Herzen liegt. Ihm erzählen, was mich beschäftigt. Ihm für Gutes danken und für Schweres und Schlimmes bitten. Vor Gott diejenigen Leute und Anliegen bringen, an die ich denke, denken will, denken muss. Mit eigenen Worten. Oder mit Worten, die ich mir bei anderen geliehen habe. Oder direkt von Jesus: das Vaterunser. Allein oder mit anderen; gesprochen, gedacht, gesungen …
Beten ist Beziehungspflege. Sicher nicht die einzige Form, wie ich meine Beziehung zu Gott pflegen kann. Aber eine ganz wichtige. Beziehung zu Gott ohne Gebet, dass kann und mag ich mir nicht vorstellen. Selbst in Zeiten, in denen mein Gebet eher flau, „geronnen“, routiniert und ohne viel Begeisterung ist.
So, und gleich kommt der Hammer, den ich vor kurzem in der Bibel im Sprüche-Buch ausgegraben habe: Das Gebet – ein Gräuel! Grauenhaft! Fürchterlich! – Wie kann sowas in der Bibel stehen, ausgerechnet dort?
Also: Was kann ein Gebet zu einer grauenhaften Angelegenheit machen? Vielleicht, wenn es nicht ehrlich ist? Oder wenn ich dabei nicht Gott, sondern eventuelle Mit-Hörer im Blick habe? Oder nichts als eine lange Wunschliste an den lieben Gott? Oder geschwollene und gestelzte Worte? Oder eine gedankenlos heruntergerasselte Litanei? Oder: Beten nur in Notfällen? Oder Gott nur auswendig gelernte oder vorgelesene Texte vortragen? Oder aber: Immer nur aus der faden Suppe der eigenen Begriffe und Phrasen geschöpft? Oder, oder …?
Nein, die Antwort lautet ganz anders – jedenfalls in diesem Spruch. Hier ist er:
Wer sein Ohr abwendet, um die Weisung nicht zu hören, dessen Gebet ist ein Gräuel. (Sprüche 28, 9)
Aha! Beten wird hier nicht zum Gräuel dadurch, was ich SAGE. Sondern: Ob ich HÖRE!
Wenn Sie sich jetzt den Anfang dieser Andacht nochmal vergegenwärtigen, werden Sie entdecken: Das, was ich da ganz positiv als „Beten“ beschrieben habe, hat genau diesen Haken: Es ist ein Auf-Gott-Einreden. Von Stille und von Hören war da nicht die Rede! Aber genau das gehört dazu!
Es ist, wie wenn Sie sich mit einem anderen Menschen unterhalten: Wenn nur der andere redet, ist es bestenfalls ein Vortrag. Oder eine „Predigt“, so wie jetzt J. Aber es kann auch sein, dass Sie sich zugequatsch, zugemüllt fühlen. Dann nämlich, wenn sich der andere in seinem Wortschwall scheint’s gar nicht dafür interessiert, ob das überhaupt bei Ihnen ANKOMMT, WIE es ankommt und was SIE denn dazu meinen.
So auch beim Beten: Wenn Sie oder ich bei Gott einfach nur unsere Freude oder unsere Beschwerden und Wunschlisten abliefern und uns gar nicht dafür interessieren, wie das bei Gott ankommt und was er uns eventuell zu sagen, zu schenken, zu ermutigen oder zu kritisieren hat, dann machen wir Gott faktisch zu unserem „Mülleimer“. Und das ist ein Gräuel.
Positiv gewendet, sage ich es so: Es wäre schon gut, wenn unsere Gebete nicht gehetzt sind, sondern langsam. Wenn auch Stille darin vorkommt. Und: Die Bereitschaft, uns in Frage stellen zu lassen! Neues aufzunehmen. Unser Spruch könnte dann so lauten:
Wer sein Ohr Gott hinhält und bereit ist, seine Weisung zu hören, dessen Gebet ist ein Geschenk für den Betenden und eine Freude für Gott.
Gebet (von Otto Rietmüller):
Zeig uns dein königliches Walten. // Bring Angst und Zweifel selbst zur Ruh. // Du wirst allein ganz Recht behalten: //Herr, mach uns still – und rede Du!