Andacht September 2015

Glaubensstark?                            RG-Senfkorn-Gleichnis; Kleines Senfkorn Hoffnung

Na, sind Sie’s? Glaubensstarkt? Wahrscheinlich werden Sie nicht rundheraus „Ja!“ sagen. Ich auch nicht. Und ich treffe oft auf Leute, die sich nicht dafür halten und sich einen stärkeren Glauben wünschten. Es gibt natürlich auch Leute, die treten glaubensstark auf. Aber so ziemlich niemand sagt das von sich.

Was ist das überhaupt, ein starker Glaube? Dazu ein Witz aus meinen Kindertagen:

Die Nonne bleibt unterwegs mit ihrem Auto liegen: Der Sprit ist alle. Im Kofferraum findet sie einen Nachttopf, läuft damit zur nächsten Tanke und holt damit Benzin. Als sie wieder zurück ist und gerade das Benzin vom Nachttopf in den Tank gießt, hält ein LKW-Fahrer: „Man Schwester, Ihren Glauben möcht‘ ich haben!“

Für den LKW-Fahrer ist ein starker Glaube: Unerschütterlich etwas glauben, was eigentlich gar nicht geht.

Oder jemand, der glaubt: „Die Erde ist flach und steht auf Säulen! Von den Säulen spricht schließlich die Bibel! Und alle anderen Ansichten sind vom Teufel!“ Ist so einer stark-gläubig? Man könnte sich die Sache einfach machen und sagen: „Nicht stark-gläubig, sondern ein Spinner!“ ICH würde sagen: Nicht stark-gläubig, sondern Angst-gläubig! Der hat so sehr Angst um seinen „Glauben“, dass er jedes noch so bedeutungslose Fitzelchen verteidigen muss, und sei es um den Preis der Vernunft.

Nun müssen Christinnen und Christen wissen: „Glauben“ im Neuen Testament meint nicht so sehr: „etwas für wahr halten“. Sonst hätte tatsächlich derjenige den stärksten Glauben, der möglichst viele und möglichst absurde Dinge für wahr hält.

Sondern: „Glauben“ im Neuen Testament ist vor allem: „Vertrauen“. „Glaubensstark“ wäre dann nicht derjenige mit der flachen Welt auf den Säulen, sondern wer mutig einen Fallschirmsprung absolviert. Oder wer die OP machen lässt, obwohl ihn dafür der Anästhesist in Vollnarkose legen muss. Oder wem Eifersuchts-Schnüffeleien abwegig und zu blöd sind. Vertrauen, das hat etwas von: Ich bin gehalten, ich bin geborgen, ich verlasse mich drauf!“

Die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben!

„Apostel“ sind im Lukas-Evangelium die zwölf Jünger. Also nicht der weitere Kreis der Jesus-Nachfolgerinnen und –Nachfolger, sondern der „inner circle“.

Vom engsten Kreis der Jünger, die täglich um Jesus herum sind und so ziemlich alles von seinen Worten und Taten mitbekommen, sollte man doch sagen: „Na, wenn DIE keinen starken Glauben haben – wer denn bitteschön dann?!“ Aber so ist es eben nicht. Diese Bitte um Glaubens-Stärkung an ihren Herrn finde ich ganz bemerkenswert. Denn:

  • Auch die, die am dichtesten dran sind an Jesus, sind nicht – durchgängig – „glaubens­stark“. Sie kennen Misstrauen, Zweifel, „Anfechtung“. Und nicht nur von irgendwann früher, sondern aktuell.
  • Die Jünger SPRECHEN über ihre „Glaubensschwäche“. Täten sie das nicht, sie hätten unmöglich diese gemeinsame Bitte vor Jesus bringen können. Sie tauschen sich darüber aus, obwohl in ihrer Gemeinschaft der Glaube sehr hoch gehalten wird. Aber vielleicht muss es ja so heißen: Sie tauschen sich über ihre Glaubensschwäche aus, WEIL der Glaube hoch gehalten wird. Denn es DIENT dem Glauben, über Glaubensschwäche zu sprechen.
  • Sie bringen ihr Glaubens-Problem direkt zu demjenigen, dem nicht nur ihr Glaube, sondern eben auch Misstrauen, Zweifel, Anfechtung gelten: Jesus! Auf mich bezogen: Meine Probleme mit dem Glauben direkt mit ins Gebet nehmen!

Die Jünger bitten Jesus also um Glaubens-Stärkung. Als früher einmal ein Jünger Jesus bat, ihnen das Beten beizubringen, hat Jesus sie das Vaterunser gelehrt (Lukas 11, 1ff.). Ganz ähnlich wird Jesus jetzt sicher sagen: „Na, dann passt mal auf, ihr müsst das so und so machen. Dann wird Euer Glaube stärker werden!“ – Aber nein, Jesus antwortet völlig anders:

Wenn ihr Glauben hättet so groß wie ein Senfkorn, dann könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: „Reiß dich aus und versetze dich ins Meer!“ Und er würde euch gehorchen! (Alles: Lukas 17, 5 f.)

Also nicht die erbetene Hilfe? Nur harsche Kritik? Klingt ja ungefähr so: „Euer Glaube liegt ja noch weit unter dem des winzigsten Samenkorns!“ Pädagogisch wäre das nicht sehr sinnvoll. Eher entmutigend. Als wenn die Kinder die Lehrerin bitten: „Kannst Du uns bitte Mal-Rechnen beibringen?“ Und die Lehrerin antwortet: „Das könnt Ihr voll vergessen. Ihr könnt ja noch nicht mal Plus!“

Aber ich denke, es ist anders gemeint. Denn „SO GROSS wie ein Senfkorn“, das ist schlicht falsch übersetzt! Im Original steht da: „WIE ein Senfkorn“. Klar, als Übersetzer denkt man erstmal: „Es ist das kleinste unter den Körnern! Darum geht es doch!“ Ja, darum geht es auch. Aber nicht nur. Wenn es um die Größe ginge, müsste man sagen: „Ein Backstein-Glaube ist mehrere tausend mal größer und gewichtiger als Senfkorn-Glaube!“

Trotzdem gibt Jesus offenbar dem Senfkorn-Glauben den Vorzug vor dem Backstein-Glauben. Obwohl der Senfkorn-Glaube doch total winzig und auch verletzlich ist. – Wieso? Weil da innen drin etwas ist, was LEBT. Also nicht der große, der starke Glaube, sondern der „lebendige“ Glaube. Vielleicht winzig klein, vielleicht unsichtbar, zerbrechlich und mutwillig zerstörbar. Aber lebendig. Und mit großem Wachstums-Potential.

Auf diese Weise gelesen, sagt Jesus seinen Jüngern: Leute, Euer Wunsch nach einem STARKEN Glauben zielt in die falsche Richtung! Er darf ruhig winzig klein sein! Aber lebendig!

Kann man mit so einem Senfkorn-Glauben denn wenigstens im Ergebnis „Bäume ausreißen“? Es klingt ja so. – Der Maulbeerbaum, der im Meer landet. Aber auch hier: Derjenige mit dem Senfkorn-Glauben sagt ja NICHT: „So, jetzt reiße ICH dich in der Kraft meines Glaubens aus und schleudere dich ins Meer!“ Sondern – wörtlich: „Reiß dich aus und pflanze dich ins Meer!“ Kein kraftvoll-zupackender Glaube, sondern einer, der dem ANDEREN etwas zutraut, Großes zutraut: Der Baum kann sich ausreißen und er kann sich – so steht es da wirklich: im Meer „pflanzen“. Grund und Fundament finden, wo gar kein Halt ist.

Jesus selbst hat auch so einen Senfkorn-Glauben, der ANDEREN etwas zutraut. Jesus ist nämlich gar nicht der große Wunderheiler, der sagt: „So, ICH mache Dich gesund!“ Sondern immer wieder: „DEIN Glaube hat Dich gerettet!“

Nicht der große Glaube, nicht der starke Glaube, sondern der Senfkorn-Glaube! Der mit Leben innen drin. Nun hätten die Jünger sagen können: „OK. Aber was müssen wir denn tun, dass unser Glaube lebendig wird? Und wie kriegen wir ihn zum Wachsen und Reifen? Wie können wir dieses Senfkorn wässern, düngen, beleuchten?“ Schade, die Frage steht nicht in der Bibel, und eine Antwort Jesu darauf erst recht nicht. Vielleicht hätte Jesus ein paar Tipps gehabt. Aber die wären, vermute ich mal, nicht so wichtig gewesen. Sondern wichtiger, auch hier: Dem anderen etwas zutrauen! In diesem Fall: Gott. Es Gott zutrauen, dass er meinen Glauben zum Leben bringt, am Leben hält, wiederbelebt.

Das ist nun Spekulation. Aber auch wenn wir das nicht so richtig wissen, wie das geht mit dem kleinen und lebendigen Glauben, DASS jedenfalls sollen Sie mitnehmen: Verabschieden sie sich vom Ideal des Backstein-Glaubens! Senfkorn ist angesagt!

Gebet:

Gott, das bitte ich Dich, dass Du mir gute Saat ins Herz legst. Und um Deinen Segen dafür, dass diese Saat bewahrt wird, wächst und gedeiht. Amen.