Das letzte Wort (Andacht für März)

Wer hat das letzte Wort? Die Frage stellt sich besonders, wo Leute verschiedener Meinung sind oder sich sogar richtig streiten.

Wer hat das letzte Wort? Eine wichtige Frage, weil es um die MACHT geht. Darum, „wer das Sagen hat“. Zum Beispiel in der Partnerschaft. Es sieht z.B. so aus, als hätte „Er“ oft das letzte Wort. Aber wenn „Sie“ das ausspricht – „Du hast ja immer das letzte Wort!“ -, dann hat „Sie“ das letzte Wort. Würde „Er“ jetzt darauf noch etwas sagen, zu dumm, dann hätte „Er“ zwar das letzte Wort, aber „Sie“ hätte Recht.

Bei der Arbeit hat der Chef meistens das letzte Wort. Wenn im Verein oder in der Kirchengemeinde dauernd derselbe das letzte Wort hat, dann kann man wohl sagen: Das ist ein ziemlich hierarchischer Verein. Und wenn einem das letzte Wort streitig gemacht wird, dann liegt Revolution in der Luft. So z.B. zwischen Eltern und Kindern, wenn die Kinder erwachsen werden. Gut so. Wenn nämlich die Rollenverteilung zwischen Eltern und Kindergartenkind zwanzig Jahre später noch genau dieselbe ist, dann passt was nicht.

„Letzte Worte“ gibt es auch auf dem Sterbebett. Die haben oft ein ganz besonderes Gewicht, ein deutliches „Basta“ schwingt mit. Späterer Widerspruch ist ausgeschlossen, und eine Rücknahme oder ein „das habe ich nicht so gemeint“ auch.

Jesu Leidensweg – nun spitzt es sich zu: Er und seine Jünger sind vom Abendmahl aufgestanden, sie gehen durch die Nacht zum Ölberg. Unterwegs kommt es zu einem Streitgespräch. Es hört sich sehr nach einem Streit darüber an, wer das letzte Wort hat – Jesus oder seine Jünger. Um das Ergebnis dieser Szene vorweg zu nehmen: Die JÜNGER behalten das letzte Wort …

Nach dem Lobgesang gingen (Jesus und seine Jünger) zum Ölberg hinaus. Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr alle werdet in dieser Nacht an mir Anstoß nehmen und zu Fall kommen. Denn in der Schrift steht: „Ich werde den Hirten erschlagen, dann werden sich die Schafe der Herde zerstreuen.“ Aber nach meiner Auferstehung werde ich euch nach Galiläa vorausgehen. 

Jesus sieht es kommen, was ihm bevorsteht: Gefangennahme, Verurteilung, Folter, Spott, Tod. Und er sieht es auch kommen: Seine Freunde werden ihn im Stich lassen. Alle. Das klingt sehr nach einem Vorwurf.

Und genau diesen Vorwurf für etwas, was sie nicht gemacht haben, was sie NOCH nicht gemacht haben, den mögen die Jünger nicht auf sich sitzen lassen. Was Jesus kommen sieht, das sehen sie ganz anders. Vorn weg Petrus, der am allerwenigsten auf den Mund gefallen ist:

Und wenn alle an dir Anstoß nehmen – ich niemals!

Jesus lässt das aber nicht so stehen. Und wenn speziell Petrus sich schon so weit aus dem Fenster lehnt, dann soll gerade er auch hören, was Jesus bei ihm kommen sieht:

Amen, ich sage dir: In dieser Nacht, noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.

Aber nein, Jesus soll nicht das letzte Wort behalten mit seinem Vorwurf. Petrus hat es, und die anderen Jünger mit ihm …

Da sagte Petrus zu ihm: „Und wenn ich mit dir sterben müsste – ich werde dich nie verleugnen.“ Das Gleiche sagten auch alle anderen Jünger. (Matthäus 26, 30-35)

Keine Frage: In diesem Streitgespräch haben die Jünger das letzte Wort. „Alle“ Jünger wissen es besser als Jesus, sie wollen treu zu ihm stehen.

Nur leider: Es kommt anders, als sie sich das denken. Die Jünger haben das letzte Wort, aber Jesus hat Recht. Es kommt eben nicht immer auf die Stärke der Überzeugung an. Und schon gar nicht darauf, wer den größten Mund und die stärksten Worte hat.

Und worauf kommt es an?

Der Streit entsteht ja, weil die Jünger auf EINE Sache anspringen, EINE Sache nicht stehen lassen, nämlich: „Ihr werdet mich alle im Stich lassen!“ Eine ANDERE Sache überhören sie aber: „Nach meiner Auferstehung werde ich euch nach Galiläa vorausgehen!“ Die Jünger ignorieren im Angesicht des drohenden Todes total: Der Tod hat nach Jesu Worten nicht das letzte Wort! Und vor der Möglichkeit, dass sie versagen, überhören sie, dass Jesus ihnen seine TREUE zusagt: Er wird ihnen vorausgehen! Und wo sie hingehen, da wird er schon sein!

Wenn Sie genau hinsehen, ist Jesus hier nicht auf Vorwurf aus, sondern auf Trost! Die Jünger sollen getröstet sein – trotz ihres kommenden Versagens. Aber diesen Trost-Schatz können die Jünger nicht heben, weil sie alles mit dem Vorwurfs-Ohr hören. Das können sie nicht so stehen lassen, und da behalten sie das letzte Wort, und Jesus lässt ihnen das letzte Wort.

Na ja, doch wohl eher das VOR-letzte Wort. Der weitere Lauf der Ereignisse spricht ja auch eine deutliche Sprache: Wenig später offenbart sich einer der Jünger als Verräter, die anderen flüchten. Und zuletzt Petrus: Er verleugnet Jesus dreimal – wie von Jesus angekündigt.

Aber das wirklich letzte Wort fällt noch später. Als es die Jünger, diese großmündigen, treulosen Gesellen, mit dem Auferstandenen zu tun bekommen. Als der ihnen nach Galiläa vorausgeht und dort zu ihnen spricht. Der letzte Satz seiner letzten Worte, es sind zugleich die letzten Worte des Matthäus-Evangelium:

Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende!

Und nun zu Ihnen. Es kann nämlich sein, dass Sie den Jüngern ähnlicher sind, als es Ihnen passt. Dass Sie sich selbst Mut machen mit Ihren starken Überzeugungen, mit Ihren Absichtserklärungen und Selbstverpflichtungen. – „Nie wieder!“; „Ab jetzt immer!“; „Kannst Dich auf mich verlassen!“ Und so weiter …

Es kann sein, dass Sie sehr gekränkt sind, wenn andere Ihnen das nicht (oder nicht mehr) so ganz glauben. Es kann sein, dass es schief geht. Und dass Sie sich dann in Scham und Selbstvorwürfen ergehen, und die anderen haben’s ja gleich gewusst und, und, und …

Und wenn Sie nun diese Geschichte auf sich beziehen, dann heißt das: Christus sieht Ihr Versagen. Er sieht sogar im Voraus Ihr Versagen. Aber anders als vielleicht Ihre Mitmenschen liegt ihm NICHT zuerst am Vorwurf. Er bläst NICHT in dasselbe Horn wie Ihre Selbstvorwürfe. Sondern: TROST! – „Ich habe den Tod überwunden, ich überwinde auch Dein Versagen! Ich gehe Dir auf Deinem Weg voran! Und mein letztes Wort an Dich – und keine Widerrede! – Ich bin bei Dir alle Deine Tage bis ans Ende!“

Kurz und knapp zwei Empfehlungen:

  1. Hüten Sie sich vor den großen Schwüren, Versprechungen, Selbstverpflichtungen, allzu guten Vorsätzen, vollmundigen Beteuerungen!

  2. Lassen Sie im Versagen CHRISTUS das letzte Wort, das entscheidende TROST-Wort!

Gebet (aus dem Lied des genesenen Königs Hiskia; Jes. 38, 17 ff.):

Siehe, um Trost war mir sehr bange. Du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe; denn du wirfst alle meine Sünden hinter dich zurück. (…) Du hast mir geholfen, darum will ich singen und spielen, solange ich lebe!

Dirk Klute