Ein Bund für’s Leben (?) (Andacht für Juli)

EINER der Vater, ihr alle Geschwister, Gelobt sei Deine Treu!

Jetzt würde ich gern mal in Ihren Kopf gucken, was das Stichwort „Bund für’s Leben“ in Ihnen auslöst. Oder eher noch ins Herz gucken. Es könnte Traurigkeit drin sein. Oder Wut. Oder Zynismus. Unerfüllte Wünsche, enttäuschte Hoffnungen. Tja, der Bund für’s Leben – Anpruch und Wirklichkeit: Die Scheidungsrate liegt bei um die 40%. Sie und ich wissen, dass die verbleibenden 60% auch nicht immer einen Bund repräsentieren, der mit – gutem – Leben gefüllt ist.
Oder ich fände das positive Gegenteil, auch das soll’s ja geben: Glück in Ihrem Herzen! Womöglich: So lange schon ein Paar – und immer noch können Sie einander so viel geben, haben Krisen überstanden und sind daran gewachsen.

„Bund“ kommt ja von „Bindung“: Ein Bund Radieschen heißt so, weil die einzelnen Radieschen zusammengebunden sind. Bindung bedeutet immer auch eine Begrenzung von Freiheit. Das einzelne Radieschen kann nicht mehr einfach dorthin, wohin es will. Wer ganz frei ist, ist auch bindungslos und kann höchstens oberflächliche Kontakte haben, jedenfalls keine, die irgendetwas mit Verantwortung zu tun haben.
Aber der „Bund für’s Leben“, um den es JETZT geht, ist ein ganz anderer: Der zwischen Gott und Israel. Oder, um mal ganz kühn einen riesen Sprung zu machen, der zwischen Gott und Ihnen?
Es gibt allerdings Parallelen zum Ehe- oder Freundschafts-„Bund“: Ein Bund bedeutet Bindung und Verbundenheit. Ein Bund eröffnet Freiheit, aber er begrenzt sie auch. Ein Bund hat mit Treue und Verantwortung zu tun. Und mit „gemeinsam durch Dick und Dünn gehen“.
Dazu ein paar Sätze aus dem Jeremia-Buch, Altes Testament:

So spricht der Herr: Es kommt die Zeit, in der ich mit dem Volk Israel und dem Volk von Juda einen neuen Bund schließe. Er ist nicht mit dem zu vergleichen, den ich damals mit ihren Vorfahren schloss, als ich sie mit starker Hand aus Ägypten befreite. Diesen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich doch ihr Herr war!

Nicht EIN Bund für’s Leben, sondern ZWEI. Denn mit dem Ersten hat es nicht geklappt: Gott hatte vor langer Zeit die Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten geholt. Dann hatte er, der Befreier, einen Bund mit ihnen geschlossen: den Sinai-Bund. Sie wissen schon: Die Gebote, der Schutz-Rahmen für die geschenkte Freiheit. Und die Verpflichtung zu gegenseitiger Treue. Das hat was von Ehe.

Der Unterschied: Während eine Ehe – günstigenfalls – eine Angelegenheit „auf Augenhöhe“ ist, ist das
bei Gott und Israel anders: Gott hat sich Israel ausgeguckt, nicht umgekehrt. Gott ist der Befreier, Israel die Befreite, auch nicht umgekehrt. Und jetzt wird es unangenehm: Gott bestimmt die Spielregeln für ein gedeihliches Miteinander, nicht Israel. Gott ist eben Gott und nicht jemand auf meinem Niveau. Ich würde sagen: Bei Gott passt das schon. Auch wenn das in Freundschaften und Paarbeziehungen gar nicht passt.

Nun sagt Gott aber durch Jeremia: Mit Israels Treue ist es nicht weit her. – „Diesen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich doch ihr Herr war!“ Und nun? Scheidung? Sucht sich Gott jetzt ein Volk, mit dem es besser läuft? Nein. Denn: Mag Israels Untreue durch die Zeiten auch riesengroß gewesen sein – Gottes Treue ist größer! Gott will und Gott verspricht einen Neu-Anfang:

Der neue Bund mit dem Volk Israel wird ganz anders aussehen: Ich schreibe meine Weisung in ihr Herz, es soll ihr ganzes Denken und Handeln bestimmen. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. 

Was soll anders werden? Der alte Bund war so etwas wie eine Ehe als Vertrag. Jede vor dem Standesbeamten geschlossene Ehe oder eingetragene Partnerschaft ist ja – auch – ein Vertrag. Mit Unterschriften, Rechten, Pflichten. Der neue Bund ist eher eine Liebesheirat: „Ich schreibe meine Weisung in ihr Herz, es soll ihr ganzes Denken und Handeln bestimmen.“ Das, was Israel mit Gott verbinden wird, ist dann keine äußere Pflicht, sondern ein Wunsch, ein inneres Verlangen. Es geht um LIEBE.

Ein kluger Mensch (er hieß Oskar Pfister) hat mal gesagt: „In der Liebe fallen Theonomie und Autonomie zu sammen.“ Theonomie ist: „Ich tue, was GOTT will!“ Autonomie ist: „Ich tue, was ICH will!“ Und wenn ich liebe, dann tue ich beides gleichzeitig. Vielleicht hat Herr Pfister sich das von dem Kirchenvater Augustin abgeguckt: „Liebe – und dann tue, was Du willst!“ Mir würden zwar sofort duzendweise Beispiele einfallen, wo das nicht so ganz passt – Ihnen sicher auch –, aber die Richtung stimmt. Pfister und Augustin haben Recht.

„Ich schreibe meine Weisung in ihr Herz, es soll ihr ganzes Denken und Handeln bestimmen.“ Ich sehe da vor meinem inneren Auge, wie Jahrhunderte vorher Mose mit den schweren Gesetzestafeln vom Berg Sinai herunter kommt. Und wenn nun, so lange danach, alles im Herzen steht, was soll dann bloß mit den Steintafeln geschehen? Was soll mit den dicken Büchern passieren, die diese Steintafeln auslegen? Und was soll mit den Leuten passieren, die die Steintafeln und die dicken Bücher auslegen? Also z.B., äh, Pfarrer? Lesen wir mal weiter …

Niemand muss dann den anderen noch belehren, keiner braucht seinem Bruder mehr zu sagen: ‚Erkenne doch den Herrn!‘ Denn alle – vom Kleinsten bis zum Größten – werden erkennen, wer ich bin. Ich vergebe ihnen ihre Schuld und denke nicht mehr an ihre Sünden. Mein Wort gilt! (Jeremia 31, 31-34; Übersetzung überwiegend nach „Hoffnung für alle“)

Tatsächlich, so ist die Verheißung: Alle stehen in einer unmittelbaren Gottesbeziehung, sie sind erfüllt von Gott. Und da ist niemand, der dichter dran wäre und sich einzubilden braucht, er sei in Sachen „Gott“ irgendwie dichter dran und hätte eine besondere Autorität.

Und woher diese verheißene Gottesnähe? Woher dieser zweite, dieser neue Bund? Na klar: Von Gott! Aus seiner Treue! Seine Treue ist größer als die Untreue seiner Leute. Darum ist im letzten Satz von „Vergebung“ die Rede. Manches kann ich nicht einfach so mir selbst vergeben. Das müssen andere tun, die ich verletzt habe. Das muss GOTT tun. Und Gott WILL es. Und er TUT es.

Und nun zu uns. Wie steht’s mit dem neuen Bund? Also ich habe da ja meine Zweifel. Ich kann nicht behaupten, dass mein Herz, mein Denken und Handeln so ganz und gar von Gott erfüllt ist. Und ich finde es auch immer noch gut und hilfreich, wenn mir andere etwas von Gott erzählen – wie sie ihn glauben, wie sie ihn erfahren. Und auch, was sie „gelernt“ und bedacht haben.

Aber andererseits: Manchmal ist Gott meinem Herzen dann doch ziemlich nahe. Gott tröstet es, richtet es auf. Manchmal lenkt er meine Gedanken in eine gute Richtung. Manchmal darf ich auch mitmachen bei etwas, worauf sein Segen liegt. Und ich glaube es, dass Gott mir vergibt. Besonders freue ich mich auch an der Freiheit im Glauben: Dass mir kein Mensch, auch kein christlicher „Würdenträger“, vorzuschreiben hat, was und wie ich zu glauben habe. Das ist „neuer Bund“.

Also wenn ich auf mich gucke: So halbe, halbe. Es ist was da von dem Alten, dem rein Äußerlichen, auch von Versagen, Schuldigwerden und – um es mit einem Wort aus dem Museum zu sagen: Kleinmut. Und es ist was da von dem Neuen, das Gott schenkt. Vielleicht kennen Sie das ja auch: Von beidem etwas. Mal halbe, halbe. Mal 80:20, mal 30:70. Selten 100:0 oder 0:100 – ein Glück!

Aber: Unser Text ist eine Einladung, eben NICHT nur auf mich zu schauen, sondern auf GOTT! Und was ER tut. Ich denke an Jesus beim Abendmahl: „Nehmt hin … das ist der NEUE BUND – in meinem Blut!“ Ich denke daran, dass ich getauft bin. Gottes Bund mit mir. Das ist nun wirklich ein Bund für’s Leben, Gottes Bund mit mir. Und ich denke an PFINGSTEN: Gottes Geist! Für die „Kleinen“ wie für die „Großen“. Und beileibe nicht nur in den Momenten, wo ich be-Geist-ert bin. Auf GOTT will ich schauen. Denn er ist treu.

Gebet:

Gott, ich danke Dir für Deine Treue! An ihr will ich mich festhalten. Amen.

Dirk Klute