Philipper 4, 10-13
Wenn Sie selber kochen, werden Sie sicher öfter mal das Essen vom Vortag warm machen. Warum auch nicht. Das ist allemal besser als dieses unsägliche Lebensmittel-Wegschmeißen. Aber nun stellen Sie sich mal vor, es gäbe dasselbe Essen eine Woche lang jeden Tag. Es könnte einem zum Hals raushängen.
Eine Woche. Bei den Israeliten waren es 40 Jahre. Manna, diese süßlichen Körnchen in der Wüste. Kost für befreite Sklaven auf der Durchreise. Eintönig, ja. Aber nahrhaft, sättigend. Und vor allem: Frei Haus. Ein Geschenk des Himmels. Jeden Tag neu. Allerdings: Das war noch so ein Haken an der Sache: Man konnte keine Vorratshaltung betreiben, nichts auf die hohe Kante legen: Manna verdarb binnen Tagesfrist. Ganz schlecht für Leute, die Sicherheit brauchen, die für alle Fälle gerüstet sein wollen.
Nun endlich haben die Israeliten die Wüste hinter sich, sie sind im verheißenen Land angekommen. Obwohl: Haben sie wirklich die Wüste hinter sich? Geographisch schon. Aber alles ist unklar, die Leute sitzen noch auf unausgepackten Koffern, die Mauern des feindlichen Jericho stehen fest und unbeweglich. Wohin soll es wie und wann weitergehen?
Und jetzt? Jetzt tun die Israeliten etwas, worauf nicht jeder in so einer Situation käme: Sie feiern. Passa, das Fest der Befreiung. Das allein wäre schon ein knackiges Andachts-Thema. Aber es passiert noch mehr. Und das hat mit dem Manna zu tun:
Während die Israeliten bei Gilgal in der Ebene von Jericho lagerten, feierten sie das Passafest. Das geschah am 14.Tag des 1.Monats, als es Abend wurde.
Am Tag darauf aßen sie zum ersten Mal etwas, was im Land Kanaan gewachsen war: geröstete Getreidekörner und ungesäuertes Brot. Von diesem Zeitpunkt an blieb das Manna aus. Die Israeliten fanden jetzt keines mehr. Sie aßen schon in diesem ersten Jahr, was in Kanaan gewachsen war. (Josua 5, 10-12)
Nichts da mit „Suchet, und ihr werdet finden!“ Die Israeliten suchten Manna, aber sie „fanden jetzt keines mehr.“ Ich stelle mir vor: An dieser Stelle gehen die Meinungen in der Bevölkerung auseinander, was denn davon zu halten ist:
- Die Traditionalisten: „Auf nichts ist mehr Verlass! Das, was 40 Jahre lang unsere Lebensgrundlage war und unseren Alltag prägte, soll nun nicht mehr gelten? Es war ja schon verkehrt, die Wüste zu verlassen. So mühselig die auch war: Wir hatten uns damit arrangiert und wir wussten, wo wir hingehören!“
- Die Leute mit Versorgungsanspruch: „Es gibt zwar keinen schriftlich fixierten Anspruch auf Versorgung mit Manna, aber nach diesen Jahrzehnten gilt das Gewohnheitsrecht. Wir bestehen auf der Fortsetzung einer pünktlichen und ausreichenden Lieferung!“
- Die Ängstlichen: „Wie soll das nur weitergehen? Wie können wir von jetzt auf gleich die Versorgung sicherstellen? Wir leben ja total von der Hand in den Mund!“
- Die Frommen: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen.“ – Wir nehmen es, wie’s kommt. Und wir sind dankbar, wie immer es auch kommt.
- Die Pessimisten: „Das ist mal wieder typisch! Kaum haben wir Passa gefeiert, kaum geht es uns richtig gut, da folgt auch schon gleich die Quittung: Das Manna ist gestrichen!“
- Die Optimisten und Neuerer: „Whow! Ein neues Land – mit neuen Möglichkeiten und neuen Herausforderungen! Und mit einer schlagartig erweiterten Speisekarte! Gut, dass wir kein Manna mehr finden – wir konnten es ja schon lange nicht mehr sehen …“
- Die Perfektionisten: „Es liegt an uns! Wir haben einfach noch nicht lange genug, nicht intensiv genug, nicht gründlich genug gesucht! Also nochmal los!“
Vielleicht fallen Ihnen noch ein paar weitere Positionen ein. Aber diese Liste reicht vielleicht, damit Sie mal ein bisschen nachspüren: Welche Reaktion wäre wohl am ehesten Ihre? Und welche geht Ihnen am meisten gegen den Strich?
Meine Vermutung: Es hängt vom Thema ab! Es gibt wahrscheinlich Themen, da sind Sie sehr traditionalistisch, und andere, da schneiden Sie gern mal alte Zöpfe ab. Es gibt welche, da sind Sie voller Angst, und andere Themen, wo Sie sich wundern, wie andere Leute da nur Angst haben können. Bei manchen Sachen können Sie geduldig annehmen, wie es kommt, bei anderen gehen Sie die Wände hoch vor Wut, Trauer oder Verzweiflung. Bei manchen Dingen sind Sie mit der Zeit sehr pessimistisch und hoffnungslos geworden, bei anderen geben Sie einfach nicht auf, sind vielleicht voller Hoffnung und Begeisterung. Bei bestimmten Themen machen Ihr Perfektionismus und Ihre superhohen Selbst-Ansprüche Sie krank, bei anderen lassen Sie sich vielleicht sträflich gehen.
So verschieden sind die Leute, so verschieden sind die Situationen, in denen Sie sich gerade befinden, und so unterschiedlich ist das, was Sie gerade brauchen. Um es im Bild des Manna zu sagen: Was mich nährt, sättigt, was mich durchhalten und wachsen lässt, das ist in der Wüste etwas anderes als bei der Ankunft im verheißenen Land. Und was mich nährt, wenn ich mich erstmal orientieren muss, ist etwas anderes als das, was ich mir unter einigermaßen stabilen Umständen vielleicht selbst anpflanzen und nach meinem Geschmack züchte.
Was nährt Sie? Jetzt? Was brauchen Sie? Ich meine: Was brauchen Sie wirklich? Ich frage das so, weil es manchmal einen tiefen Graben gibt zwischen dem, was ich brauche, und dem, was ich zu brauchen meine. Als Israel noch in der Wüste war, hätten die Schnapsbrenner, Dealer, Bordell- und Glücksspiel-Betreiber sicher ein prima Geschäft gemacht, und manche abgedrehte Sekte hätte (bzw. hatte) guten Zulauf gehabt. Aber was die Leute da wirklich brauchten, war: Manna. Schlicht, aber nahrhaft. Und durchaus süß.
Und was brauchen Sie, wenn die Wüste hinter Ihnen liegt? Wenn das Neue gerade anbricht? Und noch so viel unklar ist? Jetzt hätten die Manna-Händler ein Schnäppchen machen können bei manch einem, wenn das Zeug nicht so verflixt verderblich gewesen wäre, nichts zum Aufbewahren und zum Lagern. – Das Sichere, das Verlässliche, die „gute, alte Zeit“ und auch das Ich-muss-mich-um-nichts-kümmern.
Brauchen Sie das Manna? Wenn Sie in der Wüste sind, dann bitte: Suchen Sie es! Bis Sie es haben! Und lassen Sie sich nicht von Sachen vertrösten, die Sie gerade jetzt nicht brauchen! Aber wenn Sie nicht mehr in der Wüste sind, dann kann es sein, dass für Sie etwas anderes dran ist, dran sein soll.
Was besonders fatal wäre: Wenn das Manna Sie Tag für Tag und Jahr um Jahr in der Wüste hält, obwohl das Land der Verheißung mitsamt seinen Unsicherheiten und Kämpfen sozusagen vor der Tür liegt. Nach dem Motto: Hauptsache satt! – Ja, das ist die Hauptsache! Aber längst nicht in jeder Lebenslage.
Also: Was brauchen Sie? Jetzt? Und was davon wirklich?
Ein Segen: Die Israeliten haben keine Wahl. Auf einmal ist das Manna weg und bleibt weg. Die Versuchung, das Wüsten-Leben für alle Zeiten fortzuschreiben, entfällt damit. Nun geht es neu und anders weiter.
Jawohl, ein Segen! Beides kann ein Segen sein: Wenn Gott mir „Manna“ gibt. Wenn er mich suchen und finden lässt, was ich brauche, um schwere und vielleicht lange Wüsten-Zeiten durchzustehen, selbst wenn es mir manchmal zum Hals raushängt.
Und das andere auch: Dass Gott mir das „Manna“ wegnimmt, es mir versagt. Damit ich nicht ewig da hängen bleibe, wo ich gerade bin, sondern zur rechten Zeit aus dem Quark komme, um das Land der Verheißung zu betreten und dort vielleicht Wurzeln zu schlagen.
Gebet (aus Psalm 63):
Deine Güte ist besser als Leben. Meine Lippen preisen dich. So will ich dich loben mein Leben lang und meine Hände in deinem Namen aufheben. Das ist meines Herzens Freude und Wonne, wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben kann. Wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich, wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach. Denn du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich. Meine Seele hängt an dir. Deine rechte Hand hält mich.
Dirk Klute