Kurt Marti: geburt
Haben Sie Kinder? Wenn Sie eine Frau sind, können Sie diese Frage leicht beantworten. „Mutterschaftsklagen“, davon hört man eher selten. „Vaterschaftsklagen“ gibt es schon öfter. Denn bei Männern ist die Sache manchmal nicht so eindeutig. „Mann“ weiß es unter Umständen nicht so genau, ob man vielleicht doch der Vater ist – oder ob man es nicht ist.
Andere Frage: Wessen Kind sind Sie? Auch hier: Wer die Mutter ist, das ist meistens klar. Beim Vater ist es schon nicht mehr ganz so sicher.
Bei diesen Fragen geht es aber nicht nur um die Biologie. Da kann es Leute geben, für die sind Sie ohne Wenn und Aber ihr „Kind“, ohne dass Sie mit ihnen blutsverwandt sind. Oder Sie fühlen sich als „Eltern“, ohne mit den Kindern verwandt zu sein.
Es gibt aber leider auch das Gegenteil: Da sagen sich biologische Eltern und Kinder voneinander los, oft nach einer schlimmen Vorgeschichte. Oder da verwirken Eltern durch seelische, körperliche, sexuelle Gewalt und Grausamkeit jegliches Recht auf Eltern-Bleiben.
Weitere Verwicklungen? Da ist die Mutter oder der Vater, der oder die eine ganz enge Bindung zum Kind spürt, aber durch die Widrigkeiten des Lebens ist kein direkter Kontakt möglich. Das Kind weiß vielleicht gar nicht, dass da eine Mama oder ein Papa mit ganz viel Liebe ist.
Oder in die andere Richtung: Das Kind spürt eine tiefe Bindung und auch Sehnsucht zur Mutter oder zum Vater, hat aber keinen direkten Kontakt – und ahnt gar nicht, dass dieses Elternteil sich nicht die Bohne für einen interessiert.
So, das war jetzt die lange Einleitung zu der Frage: „Sind Sie Gottes Kind?“ Die lange Einleitung war nötig, damit klar ist: Mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ ist die Sache nicht immer beantwortet. Hier ein paar Nein-Antworten:
- „Nein, denn Gott gibt es gar nicht!“
- „Nein, nicht mehr länger, denn Gott hat sich in meinem Leben nie blicken lassen, geschweige denn, sich um mich gekümmert!“
- „Nein. Nach allem, was ich erleben musste, kann ich das nur so sehen: Gott hat mir die Treue aufgekündigt, Gott hat sich von mir losgesagt!“
- „Nein. Nach allem, was ICH angestellt habe, habe ich es verwirkt, Gottes Kind zu sein!“
- „Nein. Ich habe mich von Gott losgesagt. Oder ich versuche es wenigstens die ganze Zeit.“
- „Nein, denn ich habe ganz andere – biologische, soziale, ideologische – „Eltern“. Neben denen ist für Gott kein Platz.“
- „Nein, denn ich habe mich emanzipiert, ich bin erwachsen.“
Die Andachten in diesen Wochen zu Texten aus Johannes 1 stehen unter der Überschrift: „Gott kommt zur Welt“. Heute erfahren Sie etwas darüber, was dieses Zur-Welt-Kommen mit „Gottes Kind sein“ zu tun hat. Es gibt da eine Verbindung:
Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben …
„Gottes Kinder werden.“ Das ist das Programm. Das geht alle an, die eine Nein-Antwort haben auf die Frage „Sind Sie Gottes Kind?“ Dazu kommt Gott in die Welt, dafür gibt es den Menschen Jesus, dass dieses „Nein“ ins Wackeln kommt. Sollten Sie also ein „Nein“ haben und es unerschütterlich behalten wollen, ist das für Sie heute der falsche Texte …
Nun wird in den paar Sätzen nicht ganz klar: Bedeutet „Gottes Kinder werden“, dass ich begreife: „Ich bin Gottes Kind – ich hab’s vorher nur noch nicht gewusst und noch nicht gefühlt!“ Oder ist es mehr der Versuch einer Adoption: „Gott will, dass ich sein Kind werde – und ich war es vorher nicht!“ – ? Ich bin eher für die erste Variante. Schließlich kommt Gott durch Jesus ja „in sein Eigentum“, nicht auf fremdes Terrain. Die ganze Welt gehört zu ihm, sie kommt von ihm, sie ist von ihm durchdrungen – auch wenn es längst nicht die ganze Welt weiß und sich zuweilen extrem „gottlos“ aufführt.
Aber ob so oder so: Wenn das Programm „Gott kommt in die Welt“ bei mir fruchtet, dann darf ich’s glauben und spüren: „Ich bin Gottes Kind, und Gott will das so!“ Ob ich es vorher nicht war oder ob ich nur nicht darum wusste, das ist „gefühlt“ völlig unerheblich.
„Die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ – Dabei sind es doch „die Seinen“! Nur: Das geht an ihnen vorbei. Aufnahme verweigert. Das ist so, wie wenn Sie beharrlich den Paketdienst mit dem Päckchen Goldklumpen vor der Tür stehen lassen: Es IST Ihr Päckchen, es IST Ihr Schatz, aber dieser Schatz kommt nie bei Ihnen an, es ist so, als würde das Päckchen nichts mit Ihnen zu tun haben.
Dabei sind die Goldklumpen noch gar nicht das passende Bild: Wenn Sie dauernd diese schönen Briefe mit den Herzchen drauf ungeöffnet und mit „Annahme verweigert“ zurück in die Post geben, dann können Sie vielleicht erahnen, dass Sie geliebt werden. Aber Sie wollen es offenbar nicht wissen. Und Sie haben es niemals schwarz auf weiß.
„Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben …“ Das Päckchen ist geöffnet, die Goldklumpen liegen auf dem Tisch. Der Herzchen-Umschlag ist offen, und jetzt lesen Sie’s mit zitternden Fingern, Sie wissen gar nicht, wie Ihnen wird und müssen erstmal Ihre Gefühle sortieren.
In unserem Text sind „Aufnehmen“ und „Glauben“ im Grunde dasselbe. Im Neuen Testament ist „Glauben“ nämlich nicht: vermuten, für wahrscheinlich halten, für wahr halten. Sondern: Vertrauen! In meinem Bild mit der Post: Es annehmen und sich gefallen lassen: „ICH bin der Adressat! ICH bin gemeint!“ Ohne Bild gesagt: „Dass Gott durch Jesus in die Welt kommt, damit bin ICH gemeint! Das hat Gott getan, damit ich KIND bin und mich auch so fühle!“ – Kind, nicht mehr Sklave. Nicht Zufallsprodukt, Fußabtreter, Opfer, Täter, Rädchen im Getriebe, oder, oder. Nein: Kind! Und wenn Sie sich aktuell nicht so fühlen, nämlich als Gottes geliebtes Kind, dann weckt das vielleicht wenigstens die Sehnsucht danach. Weil das die viel schönere Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“ ist, als die vielen Antworten, die Ihnen andere Menschen oder Sie sich selbst geben können.
„Gottes Kind“ – verändert das auch etwas, was Ihre Menschen-Eltern betrifft? Das könnte wohl sein: Unser Text nennt „die, die ihn (Christus) aufgenommen haben“:
… die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind. (alles: Johannes 1, 10-13)
Wenn Sie die biologischen Wurzeln für sehr, sehr wichtig halten oder Ihnen das traditionelle Familienbild heilig ist, kann Ihnen dieser Halbsatz als Frechheit erscheinen. Denn da steht drin: Blut muss NICHT dicker als Wasser sein! Auch „Fleisch“ und der Wille der Eltern zum Kind und ihr „Ja“ zu ihm sind NICHT entscheidend!
Das sei all denen zum Trost gesagt, denen elterliche Liebe versagt geblieben ist oder die viel zu wenig davon bekommen haben. Die vielleicht alles für diese Liebe versucht und getan haben – aber nie war es genug. Im Blick auf Christus dürfen Sie sich in eine Wahrheit einüben, die tiefer ist und ein tragendes Fundament bietet: Sie sind von GOTT geboren!
Und auch wenn Ihnen damals so viel Wesentliches vorenthalten wurde: Sie SIND geliebt und der Liebe wert. Sie SIND richtig – mitsamt mancher Fehler und Macken. Sie HABEN eine Tür, die Ihnen offen steht!
Und nun? Was müssen Sie da machen? Nichts! Rein gar nichts! Gott hat alles getan – Ihr wahrer Vater, Ihre wahre Mutter.
Gebet (aus: „Meinem Gott gehört die Welt“):
Lieber Gott, du bist so groß, und ich lieg in deinem Schoß, wie im Mutterschoß ein Kind; Liebe deckt und birgt mich lind.
Leb ich, Gott, bist du bei mir, sterb ich, bleib ich auch bei dir, und im Leben und im Tod bin ich dein, du lieber Gott!
Dirk Klute