Prüfung Gottes – ??? (Andacht für Februar)

Psalm 136

Wer Schlimmes durchmacht, dem liegt sie auf dem Herzen, dem kommt sie vielleicht auch über die Lippen – die Frage: „Warum??“ Leid schreit nach einer Erklärung. Woher kommt es, womit habe ich das verdient, wozu soll es gut sein, welchen Sinn hat es …?

„Warum??“ – Diese Frage drängt sich besonders auf, wenn Sie an Ihrem Leid völlig unschuldig sind oder sich zumindest dafür halten. Und wenn Sie obendrein ein lieber Mensch sind. Wenn es nämlich einen richtig schlechten Menschen übel trifft – na, dann scheint es ja doch noch Gerechtigkeit in der Welt zu geben. Aber was ist mit dem Kind, das unter die Räder des Rasers gerät? Was mit der wirklich gutherzigen und hilfsbereiten Frau, die plötzlich so jung so schwer krank wird?

„Warum??“ – Der Wunsch, dem Schlimmen einen Sinn einzuhauchen, scheint riesengroß zu sein. Glaubende Menschen haben eine spezielle Variante dieser Frage: „Warum lässt Gott das zu??“
Ich halte nicht viel von der Warum-Frage. Oder haben Sie schon mal eine Antwort gehört, nach der Sie dann gesagt haben: „Ach so ist das! Dann ist ja alles klar und alles gut mit meiner Not!“? 

Für den Betreffenden selbst gibt es selten eine „gute“ Antwort. Trotzdem werden die Frage und  ihre Antworten gern missbraucht – von den Betroffenen ebenso wie von ihren Mitmenschen: 

  • Wenn ich als „Außenstehender“ jemandem in Not eine Antwort auf die Warum-Frage verpasse, dann dient das vor allem MEINEM Seelenfrieden: Das Leid des anderen hat jetzt – für mich – einen Sinn, ist schon irgendwie richtig, vielleicht verdient –  schwupps, ist mein Weltbild wieder in Ordnung. – Zugleich lasse ich den anderen in seiner Not allein.
  • Wer speziell „Warum lässt GOTT das zu?“ fragt, verschleiert vielleicht andere Verantwortlichkeiten: Der Kettenraucher mit dem Lungenkrebs muss sich dann nicht zumuten, was er sich selbst da eingebrockt hat. Und wer als satter Westeuropäer die Schuld am Hunger von Kindern anderswo vor allem bei Gott sucht, braucht sich nicht kritisch mit dem eigenen Konsumverhalten, dem eigenen Umwelt-Verhalten usw. zu beschäftigen.

Eine für mich besonders windige Antwort auf die Warum-Frage lautet: „Das ist eine Prüfung Gottes!“ Aha, eine Prüfung! Was wäre dann die Prüfungsaufgabe, wann hat man die Prüfung bestanden? Vielleicht: Gott trotzdem treu bleiben, oder? Nicht aufmucken, nicht kritisieren? Bloß nicht zweifeln? Alles mit einem Halleluja auf den Lippen schlucken?

Ist es das? Prüft Gott? Nicht mündlich, nicht schriftlich, sondern durch Leiden? Dann will ich lieber nicht geprüft werden!  Wieso muss der allwissende Gott mich überhaupt prüfen, wenn er mir sowieso ins Herz guckt und weiß, woran er bei mir ist? Was müsste ich genau tun, um nachher „bestanden“ zu haben? Reichen dann zwei Prüfungen wie beim Führerschein? Gibt’s da Noten? Oder nur „bestanden – nicht bestanden“? Und wenn man versetzt wird – wohin?

Also: Die Vorstellung, dass Gott, der Prüfer, sich ein paar richtig üble Aufgaben ausdenkt, die ich dann, wie auch immer, vielleicht bestehe, finde ich merkwürdig. Das Neue Testament auch, denn dort entdeckte ich nirgendwo eine Stelle, die von „Gottes Prüfungen“ spricht oder davon, dass Gott prüft. Im Alten Testament ist das ein bisschen anders, auch wenn die Stellen nicht sehr zahlreich sind. Eine dieser Stellen möchte ich Ihnen heute präsentieren – und da gibt es eine Überraschung:

Wenn in deiner Mitte ein Prophet aufsteht oder einer, der Träume hat, und er gibt dir ein Zeichen oder ein Wunder, und das Zeichen oder das Wunder trifft ein, von dem er zu dir geredet hat, indem er sagte: "Lass uns anderen Göttern – die du nicht gekannt hast – nachlaufen und ihnen dienen!", dann sollst du nicht auf die Worte dieses Propheten hören oder auf den, der die Träume hat.

Denn der HERR, euer Gott, prüft euch, um zu erkennen, ob ihr den HERRN, euren Gott, mit eurem ganzen Herzen und mit eurer ganzen Seele liebt. (Deuteronomium 13, 2 ff.)

So eine Art Liebes-Test: Lieben die Leute Gott von ganzem Herzen? Nicht bestanden haben sie die Prüfung, wenn Gott auf einmal ernste Konkurrenz hat. Damals bedeutete das: Die Leute fingen an, anderen Göttern hinterher zu laufen. Heute ist das Spektrum der Untreue breiter: Sich selbst zum Maß aller Dinge machen; Geld, Macht, Ansehen aufhäufen; die eigene Ver-Antwortung vor Gott und vor allem, was lebt, mit Füßen treten; sich in Abhängigkeiten begeben; die eigenen Möglichkeiten überschätzen; andere Menschen vergöttern, …

So, und worin besteht nun die Prüfung? Unfall, Krankheit, Scheidung? Not, Leid, Schicksalsschläge? Nein! Nichts von all dem, was wir nach unserem Sprachgebrauch als „Prüfung Gottes“ bezeichnen würden! Sondern im Gegenteil: Von Visionären ist die Rede, von Zeichen und Wundern!  Das klingt nach wunderbaren Zeiten und nach Erfolg! Und heißt es nicht, dass der Erfolg einem Recht gibt? Hier sind also nicht die besonders SCHLIMMEN Zeiten die Prüfung Gottes, sondern, die besonders GUTEN, tollen Zeiten! Also ungefähr so: Sie sagen: „Was für ein toller Tag! Heute morgen habe ich gemerkt, dass ich sechs Richtige habe, heute nachmittag habe ich einen superinteressanten Job bekommen, heute abend habe ich den Traum meiner schlaflosen Nächte kennengelernt, und wir sind ein prima Paar!“ Und unser Text schaut Sie an, legt die Stirn in Falten und sagt: „Da hat Gott Dir aber eine schwere Prüfung auferlegt! Wenn das mal gutgeht!“

Nicht das Leid, sondern der Erfolg. Zumindest für Leute mit etwas Erfahrungen auf dem Glaubens-Weg kann jedenfalls das Leid nicht völlig überraschend kommen. Und die angeredeten Israeliten in unserem Text haben auch schon Jahrzehnte der Wüste hinter sich. Die wissen, dass ihr Gott sie nicht dauernd auf Rosen gebettet trägt. Und die Christen? Die  haben ein Kreuz vor der Nase, Christi Kreuz. Ein Folter- und Hinrichtungsgerät. Glaubende Menschen wissen also um Leid, selbst dann, wenn sie selbst noch nicht viel davon erlebt haben. Sie sind nicht völlig unvorbereitet.

Und wie steht’s mit dem Gegenteil? Ungeahnte Erfolge? Tolle, vorbildhafte Leute, die mit Gott so gar nichts am Hut haben? Zeichen und Wunder? Euphorie? Vielleicht ist Erfolg für Sie die schwierigere „Prüfung“, vielleicht steht da Ihre Treue zu Gott auf dem Spiel. Gott als Fundament Ihres Lebens und Ihr entscheidendes „Du“ im Leben, Gott könnte schlicht verblassen, in Vergessenheit geraten und zu einem nostalgischen Etwas aus einer vergangenen Lebensphase werden. Prüfung nicht bestanden.

Aber was können Sie tun, um „zu bestehen“? Unser Text spricht von ungeteilter Liebe – „mit ganzem Herzen und ganzer Seele“. Und wie geht das? Wo man sich doch zu Liebe nicht einfach entschließen kann, weil sie doch mehr über einen kommt? Und wo es vielleicht verrückt wäre, den Lottoschein zu zerreißen, die Stelle auszuschlagen und dem Traum der schlaflosen Nächte einen Korb zu geben, nur um nicht auf die Probe gestellt zu werden?

Mein Vorschlag: DANKBARKEIT! Danken Sie Gott für die kleinen und großen Dinge, die Ihnen Freude und Glück bescheren, die Ihnen Halt, Trost und Hoffnung geben! Danken Sie Gott für Ihre eventuellen Erfolge! Wenn Sie nämlich hinter den Gaben den Geber sehen, dann kann es nicht so schnell passieren, dass die Gaben an die Stelle des Gebers rücken. Und: Wo es sich um sehr zwiespältige „gute“ Gaben handelt, z.B. den Tröster Alkohol, Reichtum aus Ausbeutung und Betrug, Freude auf Kosten anderer, da wird Ihnen hoffentlich der Dank an Gott im Halse stecken bleiben, und Sie können spüren, dass die Sache faul ist.

Kurz und knapp: Üben Sie sich in die Möglichkeit ein, dass das große Glück eher zum Testfall Ihres Glaubens wird als das große Unglück. Und pflegen Sie Ihre ungeteilte Liebe zu Gott – im Danken!

Gebet (aus Psalm 139):

Gott, ich danke Dir, dass Du mich wunderbar gemacht hast! Wunderbar sind Deine Werke, das erkennt meine Seele.