Brot 1. Könige 19
Advent – Ankunft. Wer kommt? Christus! Und genauer?
Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern. Und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. (Johannes 6, 35)
Frisch Verliebte, die fest davon überzeugt sind, unmöglich ohne den anderen leben zu können, haben manchmal füreinander Bezeichnungen, die man zu niemandem sonst sagt. Zum Beispiel aus der Tierwelt – gern in Verkleinerungsform: Bärchen oder Mäuschen zum Beispiel. Na ja, Bären und Mäuse können ja süß sein, aber kaum ein Mensch braucht sie dringend. Deshalb gibt es noch andere Wörter: „mein Schatz!“; „mein Ein-und-Alles!“; „mein Herz!“ Sehr romantisch.
Und wie wäre es mit „mein Brot“? Vielleicht haben Sie Gelegenheit, das demnächst auszuprobieren. Vielleicht ein Anruf? – „Hallo, mein Brot, sollen wir uns nachher noch treffen?“ Ich glaube, richtig romantische Gefühle kämen da nicht so schnell auf. Wenn schon vom Bäcker, dann doch lieber „meine Zuckerschnecke“, „mein Sahnehäubchen“ oder „meine Marzipan-Ecke“. Es geht alles, was süß ist, was nach Luxus klinkt, was mit (Ver-) Naschen zu tun hat.
Nein, „Brot“ geht nicht gut. Genauso wenig wie Kartoffel, Steckrübe, Boskop. Grundnahrungsmittel halt. Die sind nötig und gesund, aber unromantisch.
Genau so unromantisch und un-lecker präsentiert sich Christus mit diesem „Ich bin das Brot des Lebens!“ Kein Versprechen auf ein süßes Leben. Nichts, was für Satte „verlockend“ ist. Aber: Brot macht satt. Keiner, der Hunger hat, wird Brot ausschlagen. Auch nicht das Dunkle, und auch nicht, wenn es schon ein bisschen hart ist. Im Brot steckt das Leben.
Richtig dunkel wird das gängige Fladenbrot zu Jesu Zeiten nicht gewesen sein. Hart manchmal schon. Und: Der Wert des Brotes war mit Händen zu greifen: Es gab ja keinen Bäcker an der Ecke, man buk es in aller Regel selbst.
Würde wirklich KEINER das Brot ausschlagen, der hungert? Doch! Ich denke da an die Magersucht. Eine Krankheit, die lebensbedrohlich werden kann. Der Körper braucht dringend, dringend Nahrung. Aber die (oder seltener: der) Betroffene spürt diesen Hunger nicht. Oder: Ablehnung, Abscheu und Ekel vor allem Essbaren sind stärker als der Hunger. Besonders der Abscheu vor allem, was die Angst schürt zuzunehmen. Man kann bis auf die Knochen abgemagert sein – und „sieht“ trotzdem überall entsetzliche Rundungen und Fettpölsterchen.
„Ich bin das Brot des Lebens“, sagt Jesus. Jetzt haben wir schon zwei Gruppen Leute, die auf ein Brot-Angebot NICHT ohne weiteres zurückkommen:
- Die satten „Leckermäuler“: Die, die sich lieber an den Zuckerbäcker oder auch an die Pommes-Schmiede halten, wenn sie Hunger haben. Oder an Salzgebäck und Schokolade.
- Die „Magersüchtigen“: Die, die ihren Hunger, ihr Bedürfnis gar nicht spüren oder um alles in der Welt unterdrücken, aber jedenfalls nicht ihr Bedürfnis zeigen, sagen, ausleben.
Mir fallen noch weitere Gruppen ein:
- Die „Scheuklappen-Träger“: Das sind die, die das Brot übersehen oder nicht als Brot erkennen, es z.B. mit einem Stein verwechseln.
- Die „Bezahler“: Diejenigen, die sich nichts schenken lassen. Die partout meinen, sie müssten für das Brot bezahlen. Und die der Überzeugung sind, sie haben dafür zu wenig auf der Tasche.
Jetzt lassen Sie sich mal probeweise auf den Gedanken ein, Sie bräuchten Christus wie Ihr täglich Brot. Welche Haltungen kann Ihnen da beim Satt-Werden im Wege stehen? Ich greife die vier Möglichkeiten von oben auf:
- Möglichkeit: Sie sind ein geistliches Leckermaul. Sie haben eine Antenne für Spiritualität und eine Sehnsucht danach. Sie haben in die Richtung auch schon verschiedene Kurse und Seminare besucht, sich mit unterschiedlichen Religionen beschäftigt, und Ihr Bücherregal spricht Bände. Auch die Bibel ist dazwischen. „Christlich“ haben Sie auch schon verschiedene Formen, Richtungen, Gruppen, Gemeinden durch. Aber es hält meist nicht so lange. Denn: Christliche Spiritualität ist vom Wesen her Schwarzbrot. Egal, ob Sie das Schwarzbrot mit Süßem oder lauter Käse belegen. Und Schwarzbrot braucht Biss. – Schlechte Nachricht, wenn Sie es mehr mit dem Zuckerbäcker halten. Um ein anderes Bild zu wählen: Christlicher Glaube ähnelt mehr einer festen Beziehung als einem One-Night-Stand. Eine feste Beziehung braucht nämlich auch Biss, braucht Beziehungs-Arbeit.
- Möglichkeit: Sie sind spirituell magersüchtig: Sie haben ein ziemlich anspruchsvolles Bild, wie Sie sein möchten, oder besser: Wie Sie meinen, sein zu müssen. Sie müssen dieses Bild von sich mit aller Härte und Strenge gegen sich selbst erreichen, und Sie sind dafür ganz allein verantwortlich. So ein Lebens-Brot, das Sie nährt, das Sie stärkt, von dem Sie Ihren Hunger gestillt bekommen, das Sie satt macht und Sie leben lässt, nicht nur über-leben lässt, das passt nicht in Ihr Bild. Eher riskieren Sie es, an Ihren eigenen strengen Idealen von sich vollends zu zerbrechen.
- Möglichkeit: Sie tragen (un-)geistliche Scheuklappen. Vielleicht ideologischer Art. Glaube passt z.B. nicht in Ihr fortschrittliches Weltbild, das Sie für naturwissenschaftlich halten. Im Extremfall gehören Sie zu denjenigen, die sich eine Kapuze über den Kopf ziehen und dann sagen: „Ich glaube nur das, was ich sehe!“ Oder es sind Scheuklappen ganz anderer Art: Da ist Ihr Blick so sehr ausgerichtet auf andere Dinge, wovon Sie sich Satt-Werden versprechen, was gerade im Zentrum Ihrer Bemühungen, Vorfreuden, Sorgen steht, dass Sie nicht groß nach rechts und links gucken. Schon gar nicht auf so etwas wie Religion im Allgemeinen und Jesus Christus im Besonderen. Wozu auch? Wäre doch im Moment für rein gar nichts gut. Und es läuft ja insgesamt auch ohne ganz so was ordentlich.
- Möglichkeit: Sie sind „Bezahler“. Denn: Was „umsonst“ ist, taugt auch nichts. Sie lassen sich nichts schenken. Und wenn Sie etwas bekommen, „müssen“ Sie „es wieder gut machen“. Sie „müssen“ sich alles im Leben erarbeiten, verdienen. Wenn Ihnen Gutes zuteil wird, dann sind Sie stolz, Sie haben es sich verdient. Und wenn Schlimmes in Ihr Leben kommt, ist Ihre erste konsternierte Frage: „Womit habe ich das bloß – verdient?“ Der Gedanke, dass der Grund Ihres Lebens, der Sie trägt und der Sie nährt, unverdient ist, gänzlich geschenkt, der ist für Sie schwer. Und der Gedanke, dass Christus auch für Sie in den Tod gegangen und auferstanden ist, ohne dass Sie dafür auch nur einen Finger krumm machen mussten, ist für Sie eine Zumutung.
Vier Haltungen und wohl noch ein paar mehr, mit denen „wir“ (und wer kann sich da ausnehmen?) es uns schwer machen, das „Brot des Lebens“ zu essen.
Umso wichtiger, das Christus-Wort heute nicht einfach nur als Definition zu hören oder als seine Ich-Aussage.
Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. (Johannes 6, 35)
Das ist vor allem eine EINLADUNG. Zum Essen. Den Hunger zu stillen. Kraft zu gewinnen. Satt zu werden. Auch auf Durststrecken nicht zu verdursten. Eine Einladung – allen inneren und äußeren Blockaden und Hemmschwellen zum Trotz.
Gebet (aus dem Lied „Bei Dir, Jesu, will ich bleiben“):
Könnt ich’s irgend besser haben //als bei dir, der allezeit so viel tausend Gnadengaben // für mich Armen hat bereit? Könnt ich je getroster werden // als bei dir, Herr Jesu Christ, dem im Himmel und auf Erden // alle Macht gegeben ist?