Was Bestand hat (Andacht für Dezember)

Der Du die Zeit in Händen hast

Himmel und Erde werden vergehen …

… sagt Jesus, und er spricht damit eine „große Wahrheit“ aus, die Sie als „kleine Wahrheit“ für sich sekündlich erleben können. Der Augenblick, als Sie eben gerade diesen halben Jesus-Satz gelesen haben, ist nämlich JETZT schon vorbei. Vergangenheit. Gewesen. Sie sind in der Zwischenzeit älter geworden, wenn auch nur ein kleines bisschen.

Ihre „kleine Wahrheit“ des Vergehens wird Ihnen wahrscheinlich nicht andauernd präsent sein. Es gibt ja im Alltag noch andere Dinge zu bedenken. Außerdem sind die Routinen und Abläufe des Tages oft so ähnlich, und die Menschen, denen wir regelmäßig begegnen, sind uns manchmal so vertraut, dass der Alltag sich meist eher nach „Kreislauf“ und nach Wiederholungen anfühlt als nach einem Voranschreiten in nur eine Richtung.

Ich KANN mir meine kleine Wahrheit des Vergehens durch Achtsamkeit bewusst machen: Mit meiner Aufmerksamkeit ganz im „Hier und Jetzt“ zu sein, das lässt mich erleben, wie dieses „Hier und Jetzt“ in Bewegung, in Veränderung ist. Selbst wenn ich länger still in einem abgedunkelten Raum säße – jeder Atemzug, jeder Herzschlag ist einmalig.

Ich MUSS mir meine kleine Wahrheit des Vergehens bewusst machen, wo sich in meinem Leben ungewollte Brüche und Abschiede einstellen: ein geliebtes Haustier stirbt, eine Beziehung endet, ich muss wegen Krankheit ab sofort auf bestimmte Speisen verzichten, ein Umzug, der Verlust einer liebgewordenen Aufgabe, der Tod …
Der Augenblick vergeht, Lebensphasen vergehen, ich vergehe, Himmel und Erde vergehen. Was bleibt? Jesu Satz geht noch weiter:

… meine Worte aber werden nicht vergehen! (Markus 13, 31)

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf ein vielleicht verwunderndes Detail lenken: Dass es ausgerechnet WORTE sein sollen, die nicht vergehen. Wo man doch gerade den Worten eine extreme Flüchtigkeit nachsagt: Worte sind „Schall und Rauch“. Oder Adenauer: „Was geht mich mein Geschwätz von gestern an?!“ Sie werden sich sicher auch schmerzlich an Worte erinnern, die andere Ihnen gesagt haben, und die plötzlich nicht mehr galten. – Gebrochene Versprechen. Deswegen sagen Sie vielleicht auch manchmal: „Nicht Worte, sondern Taten!“ Und wenn Sie selbstkritisch sind, wird Ihnen auch das eine oder andere eigene Wort einfallen, mit dem Sie selbst den Mund zu voll genommen haben.

Aber es gibt auch Worte, die besonders gewichtig sind, die Fakten schaffen und auch haltbarer sind: die Worte im Gerichts-Urteil, das „Ja“ im Standesamt, Ihr Name unter dem Kaufvertrag. Alles nicht für die Ewigkeit, aber für eine ganze Weile. Worte, wo ich nicht einfach behaupten kann: „Das habe ich gar nicht gesagt!“ oder „So war das aber nicht gemeint!“ Worte, die Sie nur mit Schwierigkeiten rückgängig machen können.

Und jetzt die Jesus-Worte. Beständiger als Himmel und Erde? Welche Worte Jesu kommen Ihnen da in den Sinn? Auch da ist ja nicht alles gleich beständig. Jesus sagt z.B. in den „Seligpreisungen“ (Matthäus 5, 2 ff.): „Selig sind, die da Leid tragen. Denn sie sollen getröstet werden!“ Da sage ich: Der erste Teil hat keinen Bestand, denn Jesus verheißt das ja, dass das Leid überwunden wird, und dann ist es Vergangenheit. Aber der zweite Teil hätte Bestand: der Trost!

Welche Jesus-Worte kommen IHNEN in den Sinn, wo Sie sagen: „Die haben Gewicht und Bestand, und die sollen auch FÜR MICH Gewicht und Bestand haben!“?
Meine persönlichen Haupt-Kandidaten für solche Jesus-Worte mit bleibender Gültigkeit sind die „Ich bin“-Worte aus dem Johannes-Evangelium:

  1. ICH BIN das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nicht hungern und wer an mich glaubt, wird nie mehr dürsten. (Joh. 6,35)
  2. ICH BIN das Licht der Welt; wer mir nachfolgt wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben. (Joh. 8,12)
  3. ICH BIN die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, so wird er errettet werden und wird ein- und ausgehen und die Weide finden. (Joh. 10,9)
  4. ICH BIN der gute Hirte; der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. (Joh. 10,11)
  5. ICH BIN die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist. (Joh. 11,25)
  6. ICH BIN der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater als nur durch mich. (Joh. 14,6)
  7. ICH BIN der wahre Weinstock und mein Vater ist der Weingärtner. (Joh. 15,1)

Sie haben für sich vielleicht ganz andere gefunden. Ich meine, es ist auch gar nicht so wichtig, sich gemeinschaftlich auf bestimmte „beständige Jesusworte“ festzulegen. Wichtiger scheint mir etwas anderes, nämlich: Wer da spricht und wer hört.

… meine Worte aber werden nicht vergehen.

Was macht Worte zu Worten? Irgendwann haben die Menschen mal eine Rakete ins Weltall geschossen mit einem Sender. Dieser Sender sendet nun jahrein, jahraus irgendwelche wichtigen Tondokumente der menschlichen Zivilisation. Gesprochene Worte, Musik usw. Für den Fall, dass es irgendwo Außerirdische gibt, die das dann hören.

Stellen Sie sich nun folgenden Fall vor: Eines Tages gibt es keine Menschen mehr, und die Außerirdischen hat es nie gegeben, oder sie sind zu weit weg. Was sendet dann dieser Raumschiff-Sender? Sind das Worte? Sind es wirklich noch Worte, wenn es keinen Sprecher dieser Worte mehr gibt, und vor allem: keine Hörer? Meine These: Nein, das sind nur noch Geräusche. Worte sind es nur dann, wenn jemand sie hört und ihnen eine Bedeutung gibt.

„Meine Worte werden nicht vergehen“, das lese ich als eine Verheißung: Die Beziehung zwischen DIESEM Sprecher, Jesus, und seinen Hörern hat Bestand! Ich als der Dirk Klute, der ich heute bin, ich habe keinen Bestand. Nicht in der jetzigen Form für den Rest meines Erdenlebens (wenn das über „heute“ hinaus gehen sollte), und erst recht nicht mit meinem Tod. Aber als „Hörer“, als Gegenüber in der Beziehung zu Christus, da darf ich bleiben! Und da will er mich vollenden!

Eine Verheißung, die eine große Zukunft hat! Aber auch ein Tipp für mein Heute: Mitten im Strom des Vergehens auf Jesu Worte hören! Und im Hören das ewige Fundament spüren: Während Füße und Hände mehr oder weniger unbeholfen im Strom der Zeit paddeln, ist das Herz im Himmel.

Gebet (nach Nikolaus Ludwig Graf v. Zinzendorf):

Herr, dein Wort, die edle Gabe,
diesen Schatz erhalte mir;
denn ich zieh es aller Habe
und dem größten Reichtum für.
Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten,
worauf soll der Glaube ruhn?
Mir ist’s nicht um tausend Welten,
aber um dein Wort zu tun.

Dirk Klute