Die Raupe an der Straße
… dann passt das schon mal gut zu unserem heutigen Bibeltext. Allerdings ist es dort nicht einer, es sind mehrer. Und im Mittelpunkt zwei: Paulus und Barnabas.
Ich möchte mit Ihnen einen Blick werfen auf die „erste Missionsreise“ von Paulus. Sie umfasst in der Apostelgeschichte die Kapitel 13 und 14. Aber ich will uns nur ein paar Stellen herausgreifen, an denen auf dieser Reise ein Abschnitt endet oder ein neuer beginnt.
Mein Hintergedanke: Vielleicht können Sie sich das eine oder andere abgucken für IHRE Reise. – Wie, Sie reisen gar nicht? Doch! Ihre Lebens-Reise! Vielleicht sind Sie ja gerade am Ende eines Abschnitts. Oder im Anbruch eines neuen. Oder es liegt irgendwie ein Umbruch in der Luft, aber es liegt im Dunkeln, ob er tatsächlich kommt. Und vielleicht liegt es auch im Dunkeln, ob Sie ihn eher erhoffen oder eher befürchten, diesen Umbruch.
Tja, oder es herrscht Stillstand? Nichts zu spüren von „Reise“? Es könnte sein, Sie genießen das. Endlich mal Ruhe, endlich läuft alles in geregelten Bahnen. Oder das Gegenteil: Genau der Stillstand quält Sie. Lähmung, Erstarrung, lebend tot, keine Perspektive, Mut- und Lustlosigkeit. Aber ob so oder so: Auch Stillstand ist ein Teil der Reise. Und: Es wird nicht beim Stillstand bleiben. Ob Ihnen das passt oder nicht.
Lukas, der Autor der Apostelgeschichte, richtet am Beginn der ersten Missionsreise nicht den Blick auf Paulus, sondern: auf eine GEMEINSCHAFT! Wir befinden uns in der christlichen Gemeinde im syrischen Antiochien. Innerhalb dieser Gemeinschaft gibt es nochmal eine spezielle Gruppe – in diesem Fall lauter Männer: Barnabas; Simeon Niger; Luzius von Kyrene; Manaën, ein ehemaliger Mitschüler des Fürsten Herodes, Paulus.
Ziemlich zusammengwürfelt. Allenfalls einer von ihnen könnte ursprünglich aus Antiochien sein, die anderen haben Migrationshintergrund und wohl ziemlich unterschiedliche Lebensgeschichten. Was verbindet sie da? Ja sicher, die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde und zu Jesus Christus als deren Mittelpunkt. Sonst noch was?
Als sie aber dem Herrn dienten und fasteten …
Wie immer das bei diesen fünf Leuten konkret ausgesehen haben mag: Glaube spielt sich bei ihnen nicht nur im einzelnen Kopf ab, sie gestalten ihn auch gemeinsam, sie geben dem Glauben eine gemeinschaftliche Form.
Da hinein geschieht nun etwas, wo ich nicht recht weiß, wie ich mir das konkret vorstellen soll. Nämlich:
(Da) sprach der Heilige Geist: „Sondert mir aus Barnabas und Saulus zu dem Werk, zu dem ich sie berufen habe!“
Manche nehmen sich ja vor, bei ihren Entscheidungen nicht nur auf ihren „Kopf“ zu hören, sondern auf ihren „Bauch“ oder auf ihr „Herz“. Hier kommen nun weitere Ratgeber ins Spiel: Der „Heilige Geist“ und die „Gemeinschaft“.
Ich finde: Auf den Mix kommt es an! Wer NUR auf den Kopf hört und „vernünftig“ entscheidet, wird wahrscheinlich unglücklich. Wer NUR auf das Herz oder den Bauch hört, könnte manche grobe Dummheit begehen. Wer NUR auf den Heiligen Geist hört, wird Schiffbruch erleiden, wenn das, was er für den Heiligen Geist hält, ein anderer Geist ist oder seine fromm angestrichenen festen Überzeugungen. Wer NUR auf andere hört, geht dabei selbst unter.
Vielleicht spielen Sie das mal für sich durch: Was sagen denn für das, was gerade ansteht, der Kopf, das Herz, vermutlich der Heilige Geist, die wohlmeinenden Mitmschen? Und was muss ich evtl. tun, wen muss ich fragen, um besser zu wissen, was die da sagen?
Übrigens: Zumindest an DIESER Stelle der Geschichte gibt der Heilige Geist nur den Impuls zum Aufbruch. Er sagt hier nicht, WOHIN es gehen soll. Da sind dann wohl wieder Kopf, Herz, die Gemeinschaft gefragt. Vielleicht war es hier gerade das Herz: Barnabas stammt von Zypern, und da geht es jetzt hin. – Und jetzt ist Abschied angesagt:
Da fasteten sie und beteten und legten die Hände auf sie und ließen sie ziehen. (13, 1-3)
Die Etappe Zypern wird ein Erfolg, die Abreise von dort Richtung Türkei (damals: „Kleinasien“) ist unspektakulär. – Wenn da nicht ein kleines Detail wäre:
Johannes aber trennte sich von ihnen und kehrte zurück nach Jerusalem. (13, 13b)
Das war nicht konfliktfrei. Denn als zwei Kapitel weiter derselbe Johannes Markus wieder mit will, ist Paulus wegen dieser Trennung dagegen, sein Kollege Barnabas dafür. Das wird zum Streit zwischen Paulus und Barnabas führen, und sie werden dann auch getrennte Wege gehen – aber erst ab Kapitel 15, jetzt noch nicht.
Lukas erwähnt von der Türkei-Reise nebenbei ein paar Orte, wo für Paulus und Barnabas alles einigermaßen glatt lief. An anderen Orten bekommen sie aber mit ihrer Mission richtig Ärger:
- Aus dem türkischen Antiochien (nicht das syrische Antiochien, wo sie gestartet waren) werden sie vertrieben – und schütteln verärgert den Staub von ihren Füßen.
- Aus Ikonien fliehen sie von allein, nachdem Gewalt in der Luft liegt.
- In Lystra wird es besonders schräg: Erst werden Paulus und Barnabas nach einer Wunderheilung als Götter verehrt, dann schlägt es ins Gegenteil um: Paulus wird gesteinigt und, als er für tot gehalten wird, vor die Stadt geschleift. Aber er kommt zu sich, steht auf – und geht erstmal wieder in die Stadt zurück!
Mir bleibt es ein Rätsel, warum unsere Reisenden bei Ärger so unterschiedlich reagieren: Mal lassen sie sich vertreiben, mal fliehen sie, mal tun sie genau das gerade nicht. Aber so spielt eben das Leben: Mal so, mal so.
Dann die Rückreise. Barnabas und Paulus steuern (außer Zypern) die Ziele ihrer Hinreise nochmal an und regeln die Dinge in den neu entstandenen christlichen Gemeinden:
(Sie) stärkten die Seelen der Jünger und ermahnten sie, im Glauben zu bleiben (…). Und sie setzten in jeder Gemeinde Älteste ein, beteten und fasteten und befahlen sie dem Herrn, an den sie gläubig geworden waren. (14, 21 ff.)
Endlich kommen sie dort wieder an, wo im doppelten Sinne ihr Heimathafen ist:
(Sie) fuhren mit dem Schiff nach Antiochia, wo sie der Gnade Gottes befohlen worden waren zu dem Werk, das sie nun ausgerichtet hatten. Als sie aber dort ankamen, versammelten sie die Gemeinde und verkündeten, wie viel Gott durch sie getan und wie er den Heiden die Tür des Glaubens aufgetan hätte. Sie blieben aber dort eine nicht geringe Zeit bei den Jüngern.
Mir gefällt besonders, dass Paulus und Barnabas „eine nicht geringe Zeit“ bleiben. „Im Auftrag des Herrn“ unterwegs zu sein, das heißt wohl gerade NICHT, STÄNDIG unterwegs und dauernd beschäftigt zu sein. Auftanken! „Bei den Jüngern!“ Und dann, erst DANN, geht es irgendwo und irgendwie weiter …
Und was kann das nun für IHREN Lebensweg bedeuten? Eines ist schon mal klar: Auch wenn der Heilige Geist selbst den Anstoß zum Aufbruch gibt, heißt das keineswegs, dass es so wird, wie „wenn Engel reisen“. Neben vielem, was hoffentlich gelingt, können Paulus, Barnabas, Ihnen und anderen Heiligen Trennungen, Konflikte, Widerstände unterlaufen, und es gibt keinen festen Fahrplan, wie das zu lösen ist. All das: Keine „Unfälle“, die nicht passieren dürfen, sondern: Sie gehören dazu!
Trotzdem gehen die beiden ihren Weg. Und sie stoßen nicht nur Dinge an, sondern (siehe Rückreise und auch später) sie kümmern sich darum, was weiter daraus wird. Und: Sie gehen ihren Weg, der nicht besser ist als andere antike Wege. Aber in der beständigen Verbindung zu ihrem Gott, der für sie in Jesus einen Namen und ein Gesicht hat.
Vor allem: Sie sind fest verwurzelt in ihrer Glaubens-Gemeinschaft. Die gibt ihnen – Konflikte hin oder her – Heimat. Dort erleben sie den entscheidenden Impuls zum Aufbruch. Dorthin kehren sie zurück – und dürfen bleiben. – „Eine nicht geringe Zeit“.
Gebet:
Dirk Klute